SWR Kultur Wort zum Tag

26AUG2024
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Noch ein paar Tage Urlaub, dann geht es wieder los. Ich fühle mich gut erholt. Mal schauen, wie lange das anhält, wenn mich der Alltag wieder hat. Wenn alles auf mich einströmt, und jeder etwas von mir will, dann ist die Erholung oft schnell dahin. Nach ein oder zwei stressigen Wochen fühle ich mich dann schon wieder urlaubsreif.

Für diese Situation hat der mittelalterliche Mönch und Mystiker Bernhard von Clairvaux einen Tipp. Er empfiehlt eine Schale zu sein und kein Kanal. Im Unterschied zum Kanal achtet die Schale darauf, selbst immer genug gefüllt zu sein, bevor sie weitergibt, was sie empfangen hat. „Auf diese Weise,“ sagt Bernhard, „gibt sie das, was bei ihr überfließt, weiter, ohne eigenen Schaden zu nehmen. Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen und habe nicht den Wunsch, freigiebiger zu sein als Gott.“ Das klingt für mich nach mittelalterlicher Burn-Out-Prävention.

Jetzt nach dem Urlaub ist der Akku voll. Ich habe genug Energie und Kraft getankt, um für meine Familie, die Freunde und die Menschen an meiner Arbeitsstelle da zu sein. Aber jetzt sollte ich schauen, dass ich nicht einfach die Schleusen öffne und gebe, gebe, gebe, ohne dafür zu sorgen, dass zuvor immer ausreichend nachgefüllt wurde. Aber wie kommt etwas nach? Das sagt Bernhard in diesem Text nicht direkt. Ich kann nur spekulieren. Als Zisterziensermönch war sein Alltag durch festgelegte Gebetzeiten strukturiert. Ich könnte mir denken, das waren für ihn Zeiten, in denen er Kraft geschöpft hat, für seine Arbeit und um für andere dazu sein.

Ich selbst merke, dass ich dann auslauge, wenn diese Zeiten zu kurz kommen, in denen ich auftanken kann. Bei mir gibt es viel Dinge, die meine Schale füllen. Beten oder meditieren zum Beispiel, aber auch Tischtennis spielen, Unkraut zupfen, alte Fotos anschauen oder Gedichte lesen. Ich muss mir nur Zeit dafür einplanen und nehmen.

Für Bernhard ist klar, dass das kein reiner Eigennutz ist, denn er fragt kritisch: „Wenn du mit dir selbst schlecht umgehst, wem bist du dann gut?“ Und er möchte dem anderen diese Selbstfürsorge zugestehen. „Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst. Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle, wenn nicht, dann schone dich.“

Vom mönchischen Leben mit seinen festen Strukturen kann ich lernen, dass die Tankstellen ihren festen Platz brauchen, sonst drohen sie im Trubel des Alltags zu kurz zu kommen. Dafür will ich sorgen, wenn es jetzt nach dem Urlaub wieder los geht.

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