Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

06AUG2024
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Ich stehe mit meinen Kindern im Kletterwald. Über uns, zwischen den Bäumen auf ganz unterschiedlichen Höhen sind Kletterparcours befestigt. An der einen Stelle balanciert gerade jemand in drei Metern Höhe über ein wackeliges Seil, an der nächsten hangelt sich ein Kind sechs Meter über dem Boden von einer Plattform zur nächsten. Mein Sohn schüttelt entschieden den Kopf und sagt: „Das mach ich auf keinen Fall“. Ich weiß, dass er das kann und ermutige ihn: „Das schaffst Du!“ Und er ist zumindest bereit sich mal anzuhören, wie alles funktioniert.

In der Sicherheitseinweisung erfahren wir, dass an unserem Klettergurt zwei Karabinerhaken befestigt sind. Der Rote muss bei jeder neuen Herausforderung ein- und ausgehakt werden. Der Blaue wird ganz am Anfang des Parcours eingefädelt und läuft die ganze Zeit an einem Drahtseil mit. Doppelt gesichert also. Das überzeugt meinen Sohn dann doch. Nach kürzester Zeit ist er uns davongeklettert und hat seine Angst vor der Höhe anscheinend völlig vergessen.

Dafür stehe ich dann plötzlich auf einer Plattform und komme nicht weiter. Vor mir führt eine Seilbahn zum nächsten Baum. Dafür muss ich mich oben am Seil einhaken und im Klettergurt sitzend zur nächsten Plattform hinübersausen. Im Gegensatz zu den anderen Abschnitten kann ich hier nicht auf meine eigene Kraft bauen, denn ich kann mich nirgends festhalten. Ich muss darauf vertrauen, dass mich der Gurt hält. „Das schaffst Du, Mama!“ ruft mein Sohn mir zu.
Ich atme tief durch, kontrolliere nochmals die beiden Karabiner am Seil und stoße mich ab. Blitzschnell bin ich drüben – und ganz schön erleichtert.

Seitdem denke ich immer wieder mal an die Situation. Ich finde nämlich, dass sie ein ziemlich gutes Bild für meinen Glauben ist:

Für mich ist meine Beziehung zu Gott wie mein blauer Karabiner, der am Anfang des Parcours eingefädelt wird und bis zum Ende mitläuft. Mein Glaube ist sowas wie eine doppelte Sicherung. Vieles im Leben bekomme ich ziemlich gut alleine hin. Da merke ich manchmal gar nicht, dass Gott auch da ist. Er läuft oft so mit. Und dann verheddert sich was. Ich komme nicht weiter oder hänge buchstäblich in der Luft. Zu wissen, dass da ein zweiter Karabiner ist, meine Beziehung zu Gott, das trägt mich und gibt mir Mut, dass ich die Situation schon irgendwie meistern werde. Auch wenn ich selbst mal was nicht schaffe, oder gar nichts tun kann: Da ist immer noch Gott, bei dem ich eingefädelt und festgemacht bin - von Anfang bis zum Ende meines Parcours durchs Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40456
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