Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

05AUG2024
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Um mich herum lachende Menschen, ausgelassene Stimmung. Es glitzert und leuchtet in allen Farben des Regenbogens, Musik schallt durch die Straßen. Ich bin mit den katholischen Jugendverbänden auf dem Christopher-Street-Day in Stuttgart.
Beim CSD demonstrieren jedes Jahr hunderttausende Menschen für Vielfalt und gegen die Diskriminierung queerer Menschen. Die Jugendverbände laufen als Gruppe beim Demozug mit, weil sie ein Zeichen für eine bunte und offene Kirche und Gesellschaft setzen wollen.

Viele freuen sich darüber, manche fragen interessiert nach, warum wir da sind. Über den Tag ergeben sich immer wieder kurze Gespräche, die mich wirklich bewegen:

Ein alter Mann steht ganz gerührt am Straßenrand und ist überwältigt, dass es heute möglich ist, sich und seine Liebe zu zeigen. „Für mich war das früher nicht möglich“ sagt er. Damals konnte er sich nicht vorstellen, dass es je anders sein würde.

Ein junger Mann in buntem Kleid erzählt mir von seiner Oma, die ihn so annimmt, wie er ist. Und dass ihm das unglaublich viel bedeutet, weil seine Eltern das leider nicht können. Zu wissen, dass seine Oma für ihn da ist, hat ihm schon durch dunkle Zeiten geholfen.

„Hier zu sein macht mich so glücklich“ sagt mir eine Frau, die mit ihrer Partnerin unterwegs ist. Im Alltag gibt es so viele Situationen, die belastend sind. Immer wieder Anfeindungen. Kommentare im Internet und auf offener Straße. Das Gefühl, nicht dazuzugehören, weil man nicht ins klassische Bild von „Vater-Mutter-Kind“ passt. Hier auf dem CSD spürt sie, dass sie viele sind. Und dass all die Unterschiede und Besonderheiten ein wunderbar buntes Bild ergeben.

Einige erzählen mir von ihrem Verhältnis zu Kirche und Glaube. Dass es schwierig ist, sie sich abgelehnt fühlen, nicht akzeptiert. Viele haben sich deshalb abgewandt. Andere bleiben, auch wenn viele Aussagen sie verletzen. Weil sie sich in der Kirche zuhause fühlen, weil ihnen der Glaube wichtig ist. Und weil sie darauf hoffen, dass sich etwas ändert – Stück für Stück. Zumindest in Deutschland ist die katholische Kirche in den letzten Jahren einige Schritte vorangegangen - dank der vielen Menschen und Initiativen, die sich für eine Kirche stark machen, in der alle Menschen willkommen sind – egal welche geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung sie haben.

Deshalb finde ich es wunderbar, dass die katholischen Jugendverbände sich auch weiter unter dem Motto „Gott sei Dank, die Welt ist bunt“ für eine Kirche einsetzen, die niemanden ausschließt. Für ihren Glauben an Gott einstehen, der die Welt und die Menschen mit all ihren Farben geschaffen hat und liebt. Und für eine Gesellschaft, in der es möglich ist, sich und seine Liebe zu zeigen – nicht nur auf dem CSD, sondern jeden Tag.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40455
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