SWR1 Begegnungen

04AUG2024
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Helga Klär Copyright: Volker Hasenauer

Caroline Haro-Gnändinger trifft: Helga Klär, Seelsorgerin von „Kirche im Nationalpark Schwarzwald“

Wir treffen uns in Kappelrodeck in der Ortenau - mit Blick auf Wald und Weinhänge. Ganz in der Nähe ist der Nationalpark Schwarzwald. Dort kann man viel entdecken, findet sie: die Natur, sich selbst und Gott. Deshalb ist sie mit Besuchergruppen auch mal ganz früh morgens unterwegs:

Wir treffen uns noch im Dunkeln und dann laufen wir ohne Taschenlampe auf dem Teerweg hoch. Und haben dann halt die herrliche Aussicht, erstmal in die Rheinebene mit den vielen Lichtern. Dann wenden wir uns nach Osten hin, wo dann diese Bergketten sind vom Schwarzwald und Schwäbische Alb, oft auch noch so Nebelschwaden noch dazwischen. Und da geht dann wie so in einem großen Panorama die Sonne auf.

Diese kleine Wanderung beginnt beim Mummelsee an der Schwarzwaldhochstraße und Ziel ist der Berg Hornisgrinde.

Es gibt kurz vor Sonnenaufgang so ein Gedanke oder Morgengebet. Nach dem Sonnenaufgang gibt es dann noch mal einen Lobpreis oder einen Psalm und ein kurzes Gebet, das dazu passt, das gibt dem ganzen noch mal einen Tiefgang. Die Leute sind sehr berührt danach.

Auch ich fühle mich als Christin Gott oft dann nahe, wenn ich draußen bin – an Flüssen oder in stillen Wäldern. Helga Klär denkt dann zum Beispiel daran, dass Gott das Leben überhaupt möglich gemacht hat  und damit auch Pflanzen, Tiere und Berge:

Man hat ja da den Ausblick über die Rheinebene bis zu den Vogesen. Ich weiß ja auch so ein bisschen um die Geschichte, warum der Rheingraben da ist, wie viel Jahrhunderte, Jahrtausende, Billionen da drinstecken. Und ich bin ja nur ein kleiner Ausschnitt in dieser riesigen Weltgeschichte, sage ich jetzt mal.

Wenn so ein Ausblick sie beeindruckt, geht ihr das so. Aber auch wenn sie einfach losläuft – durch den „wilden Bergwald“, wie sie ihn nennt, oder zu ihrem versteckten Lieblingssee. Da fühlt sie sich wohler als in einem Meditationsraum.

Ich wollt immer auch so stundenlang sitzen können und meditieren und habe irgendwann für mich gemerkt: Mich macht es so zappelig, aber sobald ich zehn Minuten gehe, werde ich ruhig. Das Gehen ist für mich eine große, tiefe Meditation.

Wir kommen im Gespräch auch von der Schöpfung zum Schöpfer. Wie stellt sie sich Gott vor? Zuerst antwortet sie ganz klassisch: Gott Vater, Jesus und der Heilige Geist. Aber in letzter Zeit beschäftigt sie auch die Vorstellung von Gott als Mutter wie es auch in der Bibel im Alten Testament vorkommt. In manchen katholischen Kirchengemeinden taucht das in Gebeten schon auf, aber Helga Klär wünscht sich das noch öfter:

Also gerade dieses Lebensspendende. Wenn ich dann rausgehe, überall ist es grün und alles wächst und da perlen die Bäche und so… Gott wirklich mal mit die Ewige, die Heilbringende, Lebensspendende anzusprechen, diese weibliche Seite zu beleuchten, das ist das, was mich grad inspiriert und auch meinen Glauben.

Ihr ist es wichtig, die Augen offen zu halten, für Gott und für Schönes und Ungewöhnliches in der Natur. Das ist leicht im Nationalpark, wo es Moore oder auch Wasserfälle gibt. Ich glaube, das funktioniert aber überall – auch auf Feldwegen oder in grünen Innenhöfen in Städten. Helga Klär und ihre Kollegen bieten auch kleine Pilgertouren durch den Wald an und Seelsorgespräche und offene Ohren rund um die Kapellen auf dem Gelände. Sie erinnert sich noch gut an eine spontane Besucherin in der Kapelle am Mummelsee:

Da ging eben einmal eine junge Frau mit Hund und einem zwei Meter langen aufgeblasenen Badekrokodil in die Kapelle und ich weiß noch, dass wir uns so angeguckt haben: Hund und auch so riesiges Krokodil… Und als sie dann rauskam, hat sie so Tränen im Gesicht gehabt und wir haben sie dann angesprochen. Und dann hat sie gesagt: Mein Vater ist vor zwei Tagen gestorben.

Trauer um einen lieben Menschen – das beschäftigt so manche Besucher. Deshalb macht das Seelsorgeteam mit ihnen auch Wanderungen, dabei sind auch ausgebildete Trauer-Begleiterinnen und -begleiter. Gerade die Landschaft im Nationalpark ist da passend, findet Helga Klär:

Überall liegt Totholz kreuz und quer, Moos wächst darüber, aber dazwischen viele kleine Bäumle und es ist überall grün. Das singt noch irgendwas. Ich sehe hier Tod und Leben, gleichzeitig ist es da.

Für sie ist es ein Zeichen von Hoffnung, auch von christlicher Hoffnung. So etwas in der Natur zu erleben, ist möglich, weil in einem Teil des Nationalparks nicht mehr eingegriffen, quasi nicht mehr aufgeräumt, wird. Stück für Stück immer weniger.

Einfach auf 10.000 Hektar, das ist Mindestgröße, wird nicht mehr eingegriffen, sondern der Mensch schaut zu. Und das Anliegen ist: Eine Ethik der Zurückhaltung zu leben. Und ich finde, es hat ganz viel mit dem, was wir mit Bewahrung der Schöpfung auch meinen, der Artenvielfalt den Raum zu geben.

Nicht jeder ist damit glücklich, das weiß sie auch. In den zehn Jahren des Nationalparks haben Anwohner das Vorhaben immer wieder kritisiert. Für Helga Klär zählt die Haltung zur Natur. Und damit zurück zu den umgestürzten Bäumen und dass da auch immer wieder Pilze, Moos und neue Pflanzen wachsen. Das passt eigentlich zu vielen Lebenslagen.

Mir geht es auch so: Es ist ja immer irgendwas, was gerade eher zurückgeht, sei es Interessen, sei es Hobbies, ob beruflich oder irgendwas. Und es ist immer irgendwas, und sei es noch so klein, was mich plötzlich neu interessiert oder was da wieder wächst.

Auch für sie selbst wird sich bald etwas verändern. Es dauert nicht mehr lang, bis sie in Ruhestand geht. Sie fragt sich immer mal wieder: Wie wird es dann sein – ohne den Arbeitsalltag in der Kirchengemeinde und im Nationalpark? Ihr hat es geholfen, mit diesem Gedanken los ins Grüne zu laufen.

Wo ich sonst immer links auf dem Teerweg gehe und das alles halt ganz geordnet ist und rechts der Weg - war eigentlich auch sicher, aber er war halt wild und es war eine schöne Nähe zum Bach, sodass ich für mich so gesehen habe: Okay, es gibt immer noch mal einen anderen Weg, obwohl du jetzt schon, was weiß ich, hundertmal den anderen gegangen bist.

Helga Klär lässt sich von Gottes Schöpfung immer wieder inspirieren. Und das mache ich selbst auch gern – bei geistlichen Auszeiten mit Wandern oder auch bei kleinen Spaziergängen in der Mittagspause. Oder so wie heute am Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40454
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