SWR Kultur Wort zum Tag

06AUG2024
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Seit über 1000 Jahren ist die Insel Reichenau im Bodensee schon besiedelt. Und genauso alt sind die Klosterkirchen, die die Mönche dort errichtet haben. Besonders beeindruckt haben mich bei meinem Besuch die Wandgemälde in St. Georg. Sie stellen verschiedene Szenen aus dem Leben Jesu dar. Auf dem ersten Bild sehe ich, wie sich Jesus mit segnender Hand einem Menschen nähert. Er steht außerhalb der Stadtmauern: Es ist ein Aussätziger, ausgestoßen von der ganzen Gesellschaft. Indem sich Jesus ihm nähert, erfährt der Aussätzige wieder menschlichen Kontakt. Buchstäblich und auch im übertragenen Sinne – er wird von Jesus aus seiner Einsamkeit herausgeholt und in die Gemeinschaft hineingebracht.

Das Bild daneben stellt die Geschichte von der Auferweckung der Tochter des Jairus dar. Die Tochter ist schwerkrank. Die Eltern sind verzweifelt und rufen nach Jesus. Während Jesus zu ihr eilt, kommen ihm Diener entgegen und sagen, dass sie bereits gestorben ist. „Sie schläft doch nur“, erwidert Jesus, fasst sie an der Hand und sagt: „Steh auf – auferstehe – heraus aus Deiner schweren Krankheit, hinein in dein junges Leben“. Und tatsächlich steht das Mädchen auf, reibt sich die Augen und hat Hunger.

Zuletzt ein Bild von der Auferweckung des Lazarus. Lazarus ist tatsächlich bereits ins Reich der Toten gegangen. Vier Tage zuvor ist er gestorben, und das heißt nach antiker Tradition: Jetzt ist er wirklich mausetot. Aber Jesus lässt auch Lazarus nicht im Totenreich, sondern ruft ihn zurück ins Leben. 

Was verbindet diese Bilder? Für mich zeigen sie verschiedene Formen von Auferstehung. Jesus holt einen Menschen aus seiner sozialen Isolation zurück in die Gemeinschaft. Außerdem schenkt er neue Lebensgeister in schwerer Krankheit. Und er lässt selbst die nicht allein im Totenreich, die schon länger gestorben sind.

Wenn ich heute Menschen begegne, will ich genau hinhören, welche Form der Auferstehung sie brauchen Brauchen sie Auferweckung aus der Einsamkeit? Oder erlebe ich bei meinem Nachbarn eine schwere Krankheit, die ihn vom Leben abschneidet? Oder hoffe ich für einen verstorbenen Verwandten, dass sein Tod ihn nicht von Gott trennt?

Ich lasse mir die Bilder in St. Georg gefallen. Und ihre Grundaussage – dass Jesus genau diejenige Form der Auferstehung schenkt, die ein Mensch gerade braucht. Im Leben und im Tod.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40446
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