SWR Kultur Wort zum Tag

03AUG2024
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Meine Laufkarriere ist zu Ende. Für mich ist das eine große Sache. Ich bin jahrzehntelang wie ein Wilder gelaufen. Marathon, Ultramarathon, Bergläufe. Zehntausende von Kilometern habe ich laufend zurückgelegt. Und jetzt geht es nicht mehr. Mein Körper sagt: Nein. Er will nicht mehr mitmachen. Das ist ein großer Einschnitt. Ich muss etwas aufgeben, das ich sehr geliebt habe und das mir sehr geholfen hat. Beim Laufen hatte ich immer gute Gedanken. Beim Laufen konnte ich meine Gefühle sortieren und meine Wut loswerden. Dass das jetzt nicht mehr geht, verändert mein Leben, verändert meinen Alltag, verändert auch mein Selbstverständnis. Früher habe ich die Warnungen der Älteren in den Wind geschlagen, wenn sie meinten, ich solle es nicht übertreiben. Das hat mich nicht interessiert. Ich war so etwas wie unsterblich. Strotzte vor Kraft und Energie. Heute, mit 43, denke ich: hätte ich doch bloß auf sie gehört, mich mehr geschont, vorausschauender gehandelt. Aber das ist nicht mehr zu ändern. Und genau das ist es, was mich beschäftigt: Es ist nicht mehr zu ändern. Irgendwann im Leben, sind manche Dinge vorbei. Damit gilt es zurechtzukommen. Dem sind wir alle ausgeliefert. Ich glaube sogar, es ist die größte Herausforderung des Lebens eben damit umzugehen, dass alles irgendwann vorbei ist. Dass Menschen mich verlassen, dass ich manche Sachen irgendwann einfach nicht mehr kann. Dass ich Vieles aufgeben und zurücklassen muss.  Aber ich schiebe das gern beiseite. So wie die langsam aufkommenden Schmerzen beim Laufen in den letzten Jahren. Ich wollte sie nicht wahrhaben, bis ich sie nicht mehr ignorieren konnte. Bis sie ganz da waren.

Mein zukünftiges Leben wird anders aussehen. Ohne die von mir so geliebte Gewohnheit nahezu jeden Tag eine Runde Laufen zu gehen.  Das bereitet mir Kummer und ich weiß noch nicht genau, wie ich das hinbekommen soll. Natürlich werde ich mich auf andere Sportarten konzentrieren, ich brauche ja meine Bewegung. Dennoch wird es mir sehr fehlen, das Laufen. Aber ich bemühe mich darum, nicht die Kilometer zu beklagen, die ich nicht mehr laufen kann, sondern dankbar für die zu sein, die ich laufen durfte. Wie gesagt, ich bemühe mich darum. Das ist schwerer, als es sich anhört. Aber es scheint mir ein guter Weg zu sein. Ich werde mit den Jahren noch vieles aufgeben müssen. Daran führt kein Weg vorbei. Aber ich kann nur das verlieren, was ich habe. Daran erkenne ich, wie reich mein Leben doch ist.

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