SWR Kultur Wort zum Tag
Im Sommer helfe ich immer auf einer Berghütte. Die ist weitgehend autark. Wir produzieren unseren Strom selber, versorgen uns mit Regenwasser, kochen hauptsächlich auf einem alten Küchenofen. Und wir haben nur das, was man allgemeinhin ein Plumpsklo nennt. Da wir im Sommer einige tausend Menschen bewirten, ist dieses am Ende der Saison immer voll. Deshalb müssen wir es jedes Frühjahr ausräumen. Man kann sich vorstellen, dass das keine sehr angenehme Arbeit ist. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber es sind drei Tanks, die von Hand ausgeschaufelt und ausgekratzt werden müssen. Das wird dann alles in Fässer gefüllt und ins Tal in die Kläranlage gebracht. Die Aktion dauert meist einen ganzen Vormittag. Wir sind da immer fünf oder sechs Personen. Alles freiwillige Helfer, die zu diesem Zweck 800 Höhenmeter auf den Berg steigen und abends wieder hinunter. Da kommt natürlich die Frage auf, warum man sich sowas antut. Es ist eine Knochenarbeit, die wirklich ganz furchtbar stinkt. Dennoch freue ich mich immer auf den Termin. Und auch die anderen kommen gerne. Nicht wegen der Aufgabe, sondern weil wir immer eine wirklich gute Truppe sind. Man ist zusammen in einer sehr bescheidenen Situation, aber es wird dabei viel gelacht und wir machen das Beste daraus. Und das ist das Wichtigste.
Oft, so scheint es mir, kommt es nicht darauf an, was man zu tun hat, sondern mit wem man es tut. Wie gut die Gruppe funktioniert, deren Teil man ist. Das ist mir in meinem Arbeitsleben oft schon so gegangen. Der größte Stress ist erträglich, solange es mit den Kollegen funktioniert. Aber wenn es in der Gruppe oder dem Team nicht stimmt, dann wird jeder Arbeitstag zur Qual.
In der Zeitung habe ich in den letzten Wochen immer wieder gelesen, dass Deutschland wirtschaftlich immer stärker abfällt, weil die Deutschen das Arbeiten verlernt hätten. Wir seien faul geworden, bräuchten mehr „Mut zur Überstunde“. Ich weiß nicht, ob das das größte Problem ist. Ich kenne kaum jemanden, der zu faul ist und kenne auch keinen, der nicht Überstunden machen würde. Ich habe nicht den Blick in das große Ganze, aber wenn es tatsächlich in der Arbeitswelt nur noch stockend vorangeht, dann ist es vielleicht auch ein bisschen die Folge eines etwas beschädigten Miteinanders. Dass etwas mit dem Zusammenhalt in unserem Land nicht richtig stimmt. Da hilft es nicht, wenn Politiker den Bürgern Faulheit unterstellen. Das vergiftet die Stimmung nur noch mehr. Wir gehen unsicheren Zeiten entgegen, die sollten wir gemeinsam angehen und uns nicht noch unnötig irgendwas vorwerfen. Da muss ich wieder an unseren Arbeitseinsatz auf der Hütte denken. Gemeinsam kriegen wir auch die schmutzigste Aufgabe gelöst.
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