SWR Kultur Wort zum Tag

31JUL2024
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Ich war bei einer ehemaligen Kollegin zum Chili - Essen eingeladen. Auf der Einladung ist gestanden, dass es für die, die Fleisch essen Chili con Carne und für die, die keines essen, veganes Chili sin Carne geben wird. Es war ein sehr schöner Abend. Es gab zum guten Essen guten Wein und ich habe gute Gespräche geführt. In der Küche sind zwei Töpfe gestanden: Einer mit und einer ohne Fleisch. Jeder konnte sich nehmen, was er wollte. Irgendwann, nachdem alle gegessen hatten und mit vollem Bauch zufrieden und recht erschöpft herumgesessen sind, hat die Gastgeberin verkündet, dass es überhaupt kein Chili mit Fleisch gegeben hätte, sondern dass beide Töpfe fleischfrei gewesen seien. Breit grinsend hat sie hinzugefügt: „Und keiner hat es gemerkt.“ Einige der Gäste haben gelacht, andere, vor allem die, die das gute Hackfleisch gelobt hatten, waren etwas gekränkt und fühlten sich hintergangen. Für die Gastgeberin aber ist es ein großer Sieg gewesen. Sie wollte beweisen, dass man genauso gut ohne Fleisch essen kann, wie mit.

Ich fand diese Aktion – ich habe es ihr auch gesagt – ziemlich dämlich. Nicht, weil sie sich mit denen, die Chili con carne essen wollten, einen Spaß erlaubt hat, sondern wegen etwas anderem: Ich selber esse schon seit 25 Jahren kein Fleisch mehr. Ich weiß, dass man sich ohne gut ernähren kann.

Aber ich habe nie ganz verstanden, warum es da so einen seltsamen Konkurrenzkampf gibt. Warum es Gerichte geben muss, die wie Fleisch schmecken, aber ohne Fleisch sind. Als wäre fleischliche Nahrung das Maß für den guten Geschmack. Mittlerweile gibt es da ja unheimlich viele Angebote. Vegane Salami, Schnitzel ohne Fleisch, vegetarischen Speck, Veganen Fleischkäse, fleischfreie Hausmacher Leberwurst. Ich esse diese Sachen auch und vieles schmeckt wirklich gut, aber ich finde es schon bemerkenswert, dass sich fleischfreie Ernährung an Fleischgerichten orientiert. Denn eigentlich finde ich das unnötig. Fleischfreie Ernährung ist einfach etwas anderes. Es gibt so viele gute Rezepte und Gerichte, die ganz hervorragend schmecken, aber eben anders als Fleisch. Wer kein Fleisch isst, isst eben etwas anderes. Hat eine andere, eine eigene Ernährungsform. Es ist keine Ersatznahrung, es geht nicht um Fleischersatz. Ich glaube, dieses kleine, einfache Beispiel rührt an etwas, dass vielen von zu schaffen macht. Es fällt einigen Menschen offenbar schwer, wenn jemand etwas anderes macht, etwas anderes anzieht oder eben etwas anderes isst - wenn jemand einfach anders ist. Das andere irritiert, macht vielleicht sogar etwas Angst und stellt das Eigene, die eigene Lebensart und die eigenen Gewohnheiten infrage.  Auch schon bei so einfachen Dingen wie der Ernährungsweise.

Deshalb versuchen wir es uns anzugleichen. Dabei darf das andere doch anders sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40435
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