SWR4 Abendgedanken
Ich liebe es im Sommer abends auf der Terrasse zu sitzen und in den Himmel zu schauen und dabei den Tag Revue passieren zu lassen. Wenn es dann langsam dunkel wird und so nach und nach die ersten Lichtpunkte am Himmel erscheinen und der Mond aufgeht. Mal sieht man ihn fast gar nicht, wie jetzt und mal richtig rund und schön.
„Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen, am Himmel hell und klar …“ . Viele Jahre haben wir dieses Lied unseren Kindern jeden Abend vorgesungen. Irgendwann konnten sie auch fast alle Strophen auswendig. Ich mag dieses Lied einfach.
Geschrieben hat es Matthias Claudius, und für ihn ist die Nacht wie ein Zimmer. Ein Raum der wirklichen Ruhe. Alles, was mich den Tag über beschäftigt oder geärgert hat, hat hier keinen Platz. Ich soll es einfach verschlafen und vergessen.
Das ist allerdings nicht immer so einfach, finde ich. Wie oft liege ich manchmal im Bett und finde keine Ruhe, weil mich an dem Tag irgendwas so beschäftigt hat.
In dem Lied geht es weiter: Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön…“ Genau wie jetzt gerade: Der Mond nimmt zu und ist trotzdem eigentlich immer ganz da. Rund und schön. Und so ist es auch mit anderen Sachen heißt es in dem Lied. Und ich finde, dass da echt was dran ist: Wenn ich abends nur meine Sorgen anschaue, dann sehe ich auch nicht alles von meinem Tag. Dass ich es z.B. endlich mal geschafft habe einen Freund anzurufen, was ich eigentlich schon ewig machen wollte. Oder dass es einfach ein wunderschön sonniger Tag war.
Deshalb habe ich mir das jetzt vorgenommen: Wenn ich abends so über meinen Tag nachdenke, dann will ich es probieren, mit den Dingen anzufangen, die mir gelungen sind. Vielleicht auch einfach mit den Sachen, die mich an dem Tag gefreut haben. Und mich so vorarbeiten Schritt für Schritt.
„So legt euch denn ihr Brüder, in Gottes Namen nieder“ So geht das Lied zu Ende. „In Gottes Namen“ – das soll wohl heißen: Von Gott getragen. Daran denken, dass er da ist. Vielleicht beten und im Gebet irgendwie loslassen, was einem Sorgen macht. Vielleicht einfach beides in einem Gebet Gott erzählen. Das, was schön war und das, was mich beschäftigt. Beides gehört zu einem Tag dazu – auch, wenn vielleicht nicht jeden Tag alles zu sehen ist. Eben wie beim Mond.
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