SWR Kultur Wort zum Tag

30JUL2024
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„Welcome to the Craddle of Mankind” – Willkommen in der Wiege der Menschheit. So wurden meine Reisegruppe und ich in der Region Turkana begrüßt. Sie liegt im Norden Kenias an der Grenze zu Uganda, dem Südsudan und Äthiopien. Hier im großen Grabenbruch am Horn von Afrika haben sich vor rund zwei Mio. Jahren die Wege von Menschen und Menschenaffen getrennt, von hier aus hat sich die Spezies Mensch über den ganzen Globus verteilt. Das heißt, dass wir alle den gleichen Migrationshintergrund haben, dass wir letztendlich alle vom Horn von Afrika stammen. Wenn man das bedenkt, ist es schon ironisch, dass ausgerechnet hier, in dieser trockenen und extrem heißen Gegend, nun so viele Migranten leben.

Als Teil einer Fact Finding Mission der Deutschen Bischofskonferenz war es für mich eine Reise zu den Lebensrealitäten von Flüchtlingen in Kenia und in Äthiopien, bei der wir ein riesiges Flüchtlingslager in der Grenzregion der beiden Länder besuchten. Wir haben dort gesehen, wie Hunderttausende mit ärmlichsten Mitteln leben, ja, überleben müssen und in einfachsten Behausungen wohnen. Sie sind geflohen vor den Bürgerkriegen im Sudan und Südsudan, in Somalia, Äthiopien und im Kongo.

Auch hier ist Integration das Stichwort Nummer Eins und die Frage, wie die Flüchtlinge aufgenommen werden von den sogenannten „host communities“, den Aufnahmegesellschaften. Denn die Volksgruppen, auf deren Gebieten das Flüchtlingslager erbaut wurde, kämpfen selbst ums Überleben. Sie sind halbnomadische Viehhirten, die vor allem in Zeiten des Klimawandels auf Gedeih und Verderb den Launen der Natur, Dürren und Überschwemmungen ausgesetzt sind. Und sie stellen dieselben Fragen wie überall: „Müssen die alle zu uns kommen?“, „Haben wir nicht selbst genug Probleme?“, „Können die nicht dahin zurückgehen, wo sie hergekommen sind?“.

Ich kann nachvollziehen, dass sie so denken, hier in ihrer eigenen Armut. Alle Aufnahmegesellschaften auf der Welt stellen sich die gleichen Fragen und ich verstehe, wenn Bundespräsident Gauck einst sagte: „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich.“ Aber Migration ist in der Geschichte der Menschheit eben nicht die Ausnahme. Es ist die Regel. Es hat sie immer gegeben und es wird sie immer geben. Denn wie anders sollten sich die Menschen vom Horn von Afrika bis ans Nordkap oder nach Feuerland verteilt haben? Menschen fliehen vor Ungemach oder suchen neue Chancen. Ob es während der Völkerwanderung germanischer Volksgruppen in Mitteleuropa des fünften Jahrhunderts war, in den großen Auswanderungswellen nach Amerika oder den unendlichen Flüchtlingstrecks nach dem zweiten Weltkrieg.

Auch wenn die Möglichkeiten endlich sind, wir sollten die Herzen nicht verschließen, weil wir letztlich alle Menschen sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40409
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