Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Seit etwa einem Jahr haben wir einen Hund. Und der bringt mich zum Nachdenken – über die Freundlichkeit und über den Unterschied zwischen Hunden und Menschen. Unser Hund ist nämlich ausgesprochen freundlich. Und zwar zu jedem Menschen, ohne Ausnahme. Das kann der finsterste, bärtigste Geselle mit der schwärzesten Sonnebrille sein, unsere Heidi läuft Schwanz wedelnd auf ihn zu, setzt sich vor ihn hin, streckt ihm den Kopf entgegen und will gestreichelt werden. Und das Interessante: Selbst der finsterste, bärtigste Geselle mit der schwärzesten Sonnenbrille streichelt sie dann tatsächlich auch.

Heidi ist also nicht nur ausgesprochen freundlich, sondern sie hat auch ausgesprochen viele Freunde. Es gibt kaum jemanden, der unseren Hund nicht mag und viele bleiben am Gartenzaun stehen, um mit Heidi zu reden oder sie zu streicheln.

Und das bringt mich ins Grübeln. Offensichtlich freuen sich Menschen über Freundlichkeit. „Ein freundlicher Blick erfreut das Herz“ steht schon in der Bibel (Sprüche 15,30, Gute Nachricht Übersetzung). Warum sind wir Menschen dann aber oft so unfreundlich zueinander? Was unterscheidet viele Menschen, mich eingeschlossen von meinem Hund? Mal abgesehen von den fehlenden Schlappohren – in Sachen Freundlichkeit ist der Unterscheid doch der: Mein Hund macht immer den ersten Schritt. Er ergreift die Initiative. Er ist zuerst freundlich. Ich dagegen warte lieber erst mal ab wie sich mein Gegenüber verhält. Wenn er freundlich ist, bin ich’s auch.
Ein Problem gibt es freilich dann, wenn der andere genauso denkt wie ich. Dann passiert, was ich regelmäßig beim Rennradfahren erlebe: Es kommt mir ein anderer Rennradfahrer entgegen, aber anstatt uns zu grüßen, fahren wir mit starrem Blick durch unsere coolen Sonnebrillen aneinander vorbei.
Zuerst freundlich zu sein wie mein Hund ist gar nicht so einfach. Denn wer freundlich ist, öffnet sich und macht sich dadurch auch verletzbar. Es ist schon ein blödes Gefühl, wenn ich zu einem freundlichen Hallo die Hand hebe und der andere tut als sei ich Luft.
Andererseits habe ich gerade beim Radfahren schon die Erfahrung gemacht, dass manchmal selbst der coolste Typ mit der schwärzesten Sonnebrille freundlich zurückgrüßt, wenn ich den ersten Schritt mache. Zugegeben: Das fällt schwer. Aber ich kann die Freundlichkeit schließlich nicht allein meinem Hund überlassen.
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