SWR1 3vor8
Wir rechnen. Zählen zusammen, führen Buch, kalkulieren. Wir überlegen: Komme ich so über die Runden? Reicht mein Lohn, meine Rente? Bin ich gut genug versichert? Rechnen können wir. Darin sind wir geübt. Weil so viel bei uns über Zahlen bestimmt wird. Zahlen kann man vergleichen. Und wer sich vergleicht, weiß, ob er mithalten kann. Oder sich schämen muss und sich lieber verkriecht; oder sich gar betrogen vorkommt. Betrogen um sein Geld und sein Recht. Ich verstehe das alles. Und gestehe auch jedem zu, dass er überlegt, ob er gerecht behandelt wird. Aber rechnen ist nicht alles, und nicht immer kommt es auf Zahlen an. Wer krank ist, soll behandelt werden, auch wenn er nicht ausreichend versichert ist. Wer studieren kann und will, soll dazu die Möglichkeit bekommen, auch wenn er aus einfachen Verhältnissen stammt. Wer arm ist und nichts zu essen hat, soll nicht hungern müssen. Wo es ums Mindeste geht, um das, was jeder zum Leben haben sollte, kommt man mit Rechnen sowieso nicht weiter.
Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll[1]. Sagt Philippus zu Jesus angesichts einer bedrohlich großen Menge von Menschen, die sich bei ihnen versammelt hat. Heute wird diese Stelle aus dem Johannesevangelium in den katholischen Gottesdiensten gelesen und bedacht. Da ist also auch einer, der genau rechnen kann. Fünftausend Männer zählt er, dazu Frauen und Kinder, also eine Riesenmenschenmenge hat sich versammelt, um zu hören, was Jesus zu sagen hat. Diese Menschen haben Hunger, und es stehen nur fünf Brote und zwei Fische zur Verfügung, wie später erwähnt wird. Und wohl jene 200 Denare in Silber, was ziemlich viel ist und wohl für über anderthalb Tonnen Brot gereicht hätte[2].
Aber darauf eben kommt es hier nicht an. Die Erzählung von der wunderbaren Brotvermehrung ist nämlich kein Rechenexempel. Jesus sorgt dafür, dass die Leute sitzen können, dann betet er und teilt Brot und Fische aus. So viel sie wollten[3], steht dort wörtlich. Eben nicht abgezählt. Nachher sollen zwölf Körbe voll übriggeblieben sein. Und auch bei dieser Zahl geht es nicht um das Ergebnis einer mathematischen Kalkulation. Sondern um Wunder und Fülle. Ihr müsst nicht kleinlich rechnen. Es gibt mehr als genug. Das ist die Pointe der Geschichte.
Wenn wir immerzu rechnen und uns vergleichen, macht das auf Dauer unglücklich. Schenken und geschenkt bekommen, ohne schlechtes Gewissen, das ist viel menschlicher und macht am Ende sogar glücklich.
[1] Johannes 6,7
[2] Vgl. https://www.die-bibel.de/ressourcen/wibilex/neues-testament/denar
[3] Johannes 6,11
https://www.kirche-im-swr.de/?m=40356