SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

28JUL2024
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Mahl halten

Schon gefrühstückt? Oder noch dabei? Lassen Sie es sich schmecken. Essen und Trinken hält schließlich Leib und Seele zusammen. Ein altes, aber immer noch zutreffendes Sprichwort. Mit Freunden zusammensitzen, leckeres Essen kochen und dann verspeisen, frisches Wasser oder ein guter Wein dazu: Da geht es meinem Körper und meiner Seele gut. Das Ganze lässt sich auch wissenschaftlich untermauern. Essen und Trinken sind Grundbedürfnisse. Sie liefern Energie, Nährstoffe, Flüssigkeit. Voraussetzungen für das Überleben des Menschen. Aber liebevoll zubereitetes und schmackhaftes Essen ist mehr. Es spricht alle Sinne an. Bei Apfelpfannkuchen sehe ich unsere kleinen Kinder vor mir. Wie sie sich früher drauf gestürzt haben. Oder ich denk an das Kartoffelpüree meiner Mutter. Und vor den Ferien gab es bei uns früher immer Zeugniskuchen. Statt Geld oder Geschenke sind wir zum Konditor gefahren und haben uns gewaltige Tortenstücke ausgesucht und voller Vergnügen verspachtelt. Und dann ist Essen für mich bis heute auch ein Ort für lustige und ernste Gespräche, lange Abende, Miteinander.

Kein Wunder, dass das Essen auch in den Religionen eine zentrale Rolle spielt. Ihren Göttern opfern Menschen bereits Jahrtausende lang Tiere, Pflanzen, Essbares aller Art. Dabei geht es nur vordergründig um die Idee, dass auch Götter Hunger haben. Es geht vor allem um die Kommunikation von Mensch und Gott. So ähnlich wie auch am Esstisch miteinander gesprochen wird. Gott wird ein Opfer gebracht, um die Welt des Menschen und der Götter miteinander zu verbinden. Um deutlich zu machen, dass Menschen abhängig sind von Wohlwollen und Zuwendung der Götter. Um durch ein Geschenk miteinander in Beziehung zu treten.

Nicht umsonst stellt auch das Christentum eine Mahlzeit in ihr Zentrum. Das letzte Abendmahl. Kurz vor seinem Tod isst und trinkt Jesus mit seinen engsten Freunden. Dieses Mahl macht bis heute deutlich, wie menschliches Leben gelingen kann: Sich an einen Tisch setzen, miteinander reden und anderen zuhören, Lebensnotwendiges teilen, Erinnerungen schaffen, aneinander denken. Essen und Trinken hält auch hier Leib und Seele zusammen.

 

Teilen für Fortgeschrittene

Ich gebe zu: Zu einem Buffet habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Buffets sind eine klasse Erfindung. Jeder Gast kann sich aussuchen, was ihm schmeckt. Und man kommt auch ein bisschen in Bewegung. In der Schlange zum Buffet lassen sich tolle Gespräche führen. Aber ich erlebe auch: Am Buffet gibt’s Leute, die laden sich den Teller so voll, dass am Schluss gar nicht genug für alle da ist. Oder dass die Augen größer als der Magen sind. Und dann auf den Tellern viel zurückbleibt und weggeworfen wird.

Eine Geschichte vom Buffet gibt’s auch in der Bibel. Allerdings ganz anders, als gedacht. Da ist es nämlich so: Jesus ist schon ziemlich bekannt. Viele Menschen laufen ihm hinterher. Das Problem: Die kriegen Hunger und Durst. Also muss Essen besorgt werden. Kein Laden weit und breit. Und deshalb kratzt man zusammen, was man hat. Das ist wenig genug: Fünf Brote und zwei Fische. Für fünftausend Leute. Wie soll das funktionieren? Doch es geht auf. Jesus nimmt Brote und Fische, dankt, verteilt. Alle werden satt und es bleibt noch körbeweise Essen übrig.

Die Geschichte lässt sich einfach nicht packen. Wunder gibt‘s zwar immer wieder. Aber ich habe noch kein Buffet gesehen, das am Schluss voller war, als zu Beginn. Manche interpretieren die Geschichte deshalb so: Wenn Menschen teilen, dann zieht das Kreise. Dann kramt jeder in seiner Tasche, findet noch einen Müsliriegel oder ein paar Kekse. Und am Schluss ist mehr als genug da.

Ich glaube allerdings, es geht bei der Geschichte um mehr als Brote und Fische. Sondern um das Wunder der Gemeinschaft. Wenn Menschen zusammen sind, miteinander essen und trinken, dann kann fast alles möglich werden. Dann weitet sich der Raum. Neue Ideen kriegen Beine. Gedanken und Einsichten werden vertieft. Man fühlt sich verbunden. Das beseelt. Das ist sozusagen Teilen für Fortgeschrittene. Da spielt es keine Rolle, wie voll der Tisch ist oder wieviel Liter Wein getrunken werden. Menschen werden satt – werden gesättigt mit Freundschaft und Liebe. Mit Wertschätzung und Angenommen-Sein. Das nenne ich ein Wunder. Einen Beweis dafür, dass Essen und Trinken wirklich Leib und Seele zusammenhält.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40355
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