Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Kennen Sie diese kleinen Tachometer fürs Fahrrad? Die können einen ganz schön unter Druck setzen. Sie zeigen nicht nur die Geschwindigkeit an, sondern auch noch einige andere Dinge wie die Fahrzeit, die Durchschnittsgeschwindigkeit und eine Stoppuhr ist auch noch dabei. Ich habe so ein kleines Wunderwerk der Technik an meinem Rennrad. Beim Fahren schaue ich ständig drauf, denn ich habe den Ehrgeiz, mindestens genauso schnell zu sein wie beim letzten Mal, möglichst aber schneller. Entsprechend erschöpft komme ich meistens wieder zu Hause an.
Aber neulich hat die Batterie während der Fahrt ihren Geist aufgegeben. Das war zunächst ziemlich ungewohnt. Aber ich muss zugeben: Ich bin schon lange nicht mehr so entspannt Fahrrad gefahren wie dieses eine Mal. Anstatt auf den Tacho zu achten, habe ich auf mich selbst, auf meinen Körper, geachtet. Ich habe mich nicht an irgendeiner Anzeige orientiert, sondern an der Kraft, die ich zur Verfügung hatte.
Ich denke, solche Tachometer gibt es nicht nur am Fahrrad, sondern es gibt auch eine Art inneren Tacho, den jeder Mensch in sich trägt. Jeder hat ja so seine Vorstellungen, was er bei der Arbeit - im Beruf oder Zuhause -, in der Familie und im Blick auf seine persönlichen Ziele leisten will. Der innere Tacho überprüft ständig, ob wir im Soll liegen und wenn wir drunter sind, spornt er einen an, noch eine Schippe drauf zu legen.
Ich denke es tut gut, auch diesen inneren Tacho ab und zu auszuschalten. Es entlastet, mein Leben nicht immer zu messen, sondern einfach mal nur so drauflos zu leben, ohne meine Leistung ständig zu überprüfen. Mich nicht an irgendeinem hochgesteckten Ziel zu orientieren, sondern an mir selbst und meiner eigenen Kraft.
Über meine Kräfte zu leben haut nämlich nicht hin, sondern endet in der totalen Erschöpfung. Das ist genauso wie beim Radfahren. Da kann ich mir zwar fest vornehmen, eine bestimmte Durchschnittsgeschwindigkeit zu erreichen, aber bei einer langen Tour besonders wenn’s in die Berge geht, ist mit Zähne zusammen beißen nichts zu machen. Das geht nur eine zeitlang und die Gefahr ist groß, dass ich anstatt schneller, gar nicht ans Ziel komme.
Ich glaube, dass auch Gott nicht will, dass Menschen sich in ihrem Leben zu überfordern. „Gott ist kein Menschenschinder“, hat mir ein älterer Pfarrer einmal gesagt. Das liegt daran, dass Gott eigentlich überhaupt nicht an meiner Leistung interessiert ist, sondern an mir selbst. Ich glaube deshalb: Gott freut sich mit mir, wenn ich nicht über meine Kräfte lebe. Er ist froh, wenn ich lerne meine Grenzen zu akzeptieren und in diesen Grenzen glücklich zu leben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4034
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