SWR4 Abendgedanken

19JUN2024
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Die Enkelkinder sind müde und drehen noch mal so richtig auf. Springen herum, toben wild, sind laut. Großes Vergnügen! Erfahrungsgemäß gibt es da oft ein böses Ende. Weil irgendwas passiert. Aber bitte nicht jetzt am Abend! Deshalb ist es höchste Zeit, einzugreifen. Sie sollen sich beruhigen und runterkommen. Also läute ich die Zeit für Schlafanzug und Zähneputzen ein. Jetzt ist Ruhe dran. Geschichten vorlesen, kuscheln, vielleicht ein wenig über den Tag sprechen oder über die Angst vor der Nacht. Sie sollen sich beruhigen und entspannen. Damit sie dann auch bald schlafen. Denn morgen ist wieder ein Tag – und die Oma ziemlich müde.

Und was mache ich, wenn es ruhig ist? Ich setze mich und lese die Zeitung. Endlich! Ich lese gerne solche Zeitungen, die meine Gedanken in Schwung bringen. Wo ich was zum Nachdenken habe. Meistens fange ich hinten an. Da geht es um Theaterstücke, Bücher, Filme. Um gesellschaftliche Fragen. Langsam taste ich mich zu den politischen Seiten vor. Die stehen ganz vorne, ich lese sie aber immer zuletzt. Weil sie mich am meisten aufwühlen.

Und da ist mir was aufgefallen. Es tut mir nicht gut, wenn ich am Abend noch schwierige politische Themen studiere. Die verfolgen mich sonst in die Nacht. Da geht es mir wie den Kindern. Am Abend brauche ich Ruhe. Nein, die Probleme der Welt sind mir deshalb nicht egal. Ich will wissen, was los ist. Es geht ja um mein Leben, und um das Leben der nächsten Generationen. Aber sie sind keine gute Lektüre auf dem Weg in die Nacht.

In der Nacht sind wir Menschen dünnhäutiger und empfindlicher. Sorgen plagen uns in der Nacht viel mehr als am Tag. Schmerzen fühlen sich stärker an. Deshalb lege ich die Zeitung bewusst zur Seite. Die komplizierten Themen können warten auf den hellen Tag. 

Ich muss genauso runterkommen wie die Kinder. Auch meine Gedanken sollen abends nicht noch wild herumtoben, meine Sorgen nicht noch vermehrt werden. Also helfe ich mir selbst. Lege die Zeitung auf die Seite. Sage mir: Das lese ich morgen! Und noch etwas tue ich: ganz bewusst lege ich diesen Tag und Abend Gott in die Hände. Das hilft!

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