SWR Kultur Wort zum Tag

01JUN2024
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Unsere Friedenstaube ist abgestürzt. Den Frühling über hing sie auf einer Flagge vor der Kirche – eine weiße Taube auf blauem Grund. Dann ist die Aufhängung gerissen und die Taube ist buchstäblich abgestürzt.

Leider passt das bestürzend gut zur Weltlage: Um den Frieden ist es gerade schlecht bestellt. Ein Schüler hat neulich zu mir gesagt: „Deutschland kann sich im Ernstfall noch nicht einmal einen Tag lang verteidigen. Wieso wird denn nicht mehr Geld für die Rüstung ausgegeben?!“ 

Ich habe mit ihm geredet über die Kosten für Bildung, den Klimaschutz, die Renten und über die Frage, wo wir als Gesellschaft unsere Schwerpunkte setzen wollen. Ihn hat meine Argumentation nicht überzeugt.

Mich beschäftigt diese Begegnung noch: Was ist das für eine Zeit, in der Jugendliche Aufrüstung einfordern und in der in den Medien ständig von „Kriegstüchtigkeit“ gesprochen wird? Einmal habe ich kürzlich sogar gelesen, Deutschland müsse „siegfähiger“ werden.

Der Jugendliche vor mir jedenfalls würde im Falle eines Krieges bald eingezogen. Seine Kraft, seine Begeisterungsfähigkeit – sie wären vermutlich ein wichtiger Baustein für die Kriegstüchtigkeit unseres Landes. Ich war deshalb geradezu erleichtert, als ich Heribert Prantls Buch „Den Frieden gewinnen“ entdeckt habe. Er schreibt: „Deutschland und Europa brauchen nicht Kriegstüchtigkeit, sondern Friedenstüchtigkeit; das ist die Lehre aus der europäischen Geschichte.“ 

Friedenstüchtig werden. Ich stelle mir vor, dazu gehört ein realistischer Blick: Es ist notwendig, dass etwa die Ukraine sich verteidigen kann. Zugleich ist aber Krieg das Schlimmste, das einem Land und seiner Jugend passieren kann. Friedenstüchtig zu werden bedeutet, Eskalation zu verhindern und nach Wegen Ausschau zu halten, wie wieder Frieden werden kann. Um den geht es zuletzt, nicht um den Krieg, von dem höchstens die Rüstungsindustrie profitiert.

Die Bibel hat dafür starke Bilder entwickelt: Besagte Friedenstaube etwa oder den beinahe schon untergegangen geglaubten Gedanken, dass „Schwerter zu Pflugscharen werden“. Dabei waren die biblischen Autoren alles andere als naiv; sie haben ihre Friedensvisionen mitten in einer kriegserschütterten Welt entworfen – und dieser Welt genau deswegen eine große Hoffnung eingeschrieben.

Am Frieden arbeiten – das geht nur in kleinen Schritten, mit Geduld und einer Idee, dass er gegen allen Augenschein möglich ist.

Wir hier in der Gemeinde haben zuerst einmal unseren Fahnenmast wieder friedenstaubentauglich gemacht und die Aufhängevorrichtung repariert. Schon das war abenteuerlich, weil er so hoch ist. Jetzt tun sich Patchworkgruppe und Hausmeister zusammen, um die Flagge zu reparieren. Friedenstüchtig werden wir nämlich bloß gemeinsam.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39992
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