SWR1 3vor8

17SEP2023
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Im Römerbrief des Paulus heißt es: Keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber[1]. Dabei habe ich immer gedacht: Wenn ich einmal irgendwo ganz allein sein werde, dann, wenn ich sterbe. Das kann mir keiner abnehmen. Da kann mich keiner trösten oder unterstützen. Beim Sterben ist der Mensch ganz auf sich und ganz auf sich allein zurückgeworfen. Auch wenn noch so viele Angehörige und Freunde einen begleiten.

Für Paulus hat alles, was mit einem Menschen zu tun hat, automatisch immer auch mit Gott zu tun. Der Mensch gehört sich nicht selbst. Sein Leben ist nicht sein Eigentum. Und der Tod als Lebensende dementsprechend auch nicht. Der Mensch gehört so, wie alles auf dieser Welt dem, der sie geschaffen hat. Also Gott. So wie Paulus die menschliche Existenz versteht, kann es nicht darum gehen, dass ich mich selbst verwirkliche, dass ich möglichst viel erarbeite oder leiste. Es ist unnötig mir einen großen Namen zu machen. Wenn mir etwas gelingt, dann ist es Gott zur Ehre.

Als glaubender Mensch verstehe ich, was Paulus sagt, und ich halte es für richtig. Zumal wenn ich daran denke, wie begrenzt mein Leben ist und wie unbedeutend ich bin als einer von so vielen auf diesem Planeten. Aber von der Realität ist das weit entfernt. Wie die meisten achte ich darauf, gut dazustehen, gelobt zu werden. Ich will als Person respektiert werden, und manchmal will ich sogar im Mittelpunkt stehen. Dass ich nicht für mich selbst tue, was sich in meinem Leben abspielt… Ja, der Gedanke blitzt hin und wieder auf. Aber so weit zu gehen wie Paulus, der sagt: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn[2]? Kaum. Das ist kein Gedanke, der in unsere so individualisierte westliche Welt passt, in der das Recht des Einzelnen fast das Höchste ist, was es gibt. Mein Leben gehört mir. Wann und wie ich sterbe, das will ich selbst bestimmen.

Vor wenigen Wochen habe ich einen Mann beerdigt. Etwas über sechzig. Er bekam letztes Jahr eine schlimme Diagnose, war seitdem schwer krank, und hat am Ende gewusst, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Bei ihm habe ich gespürt, dass der Paulus-Satz doch eine radikale Wahrheit in sich birgt. Er hat nicht mit Gott gehadert. Er hat sich nicht verzweifelt an sein Leben geklammert. Er hat gelebt, ohne um sich selbst zu kreisen, war für andere da, hat auf Gott gebaut. Und so ist er auch gestorben. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn[3]. Auch wenn es mir nicht leicht fällt, das so auszusprechen: Paulus hat Recht. Und am Ende ist es sogar ein Trost.

 

[1] Römerbrief 14,7

[2] Römerbrief 14,8a

[3] Römerbrief 14,8b

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