Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

23SEP2023
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Über die Kirche kann man denken, was man will. Es gibt viel zu kritisieren, weil sie Fehler macht und in hohem Maße Glaubwürdigkeit eingebüßt hat. Aber es gibt auch Bereiche, wo sie großartige Arbeit leistet und vielen Menschen hilft. Die Seelsorge in den Krankenhäusern ist so ein Bereich. Wer schwer krank ist oder operiert werden muss, braucht natürlich zuerst eine möglichst gute medizinische Versorgung. Kranke sind darauf angewiesen, dass die Ärztinnen ihr Handwerk verstehen und die Pfleger sich gut um sie kümmern. In fast allen Kliniken gibt es heute zudem psychologisch geschulte Personen, die einem helfen, mit den Ängsten umzugehen, die einen befallen, wenn man die Gesundheit verliert.

Und dann gibt es da noch den Bereich, den niemand in der Hand hat. Die offenen und schwierigsten Fragen spielen sich dort ab: Was, wenn ich nicht mehr gesund werde, wenn ein langes Leiden beginnt und ich womöglich eine Chemotherapie machen muss? Halte ich das aus: zu wissen, dass ich nur noch eine bestimmte Zeit zu leben habe? Mit wem teile ich dann meine Gedanken, vor allem wenn die immer dunkler werden? Wer hält es mit mir aus, wenn ich bitter weine, aber das nicht vor meiner Familie tun will? Mit wem kann ich über das Sterben sprechen und den Tod und das, was danach kommt?

Als Pfarrer werde ich selbst hin und wieder ins Krankenhaus gerufen und mit diesen Fragen konfrontiert. Ich nehme jedes Mal einen kleinen Anlauf, weil es auch nach Jahren immer noch ein Berg ist, mich dem zu stellen, dass es einem Menschen so schlecht geht. Aber immer spüre ich anschließend, wie wichtig mein Besuch war, wie gut es Kranken tut, auch jemanden zu haben, der nicht zu den Medizinern und Therapeuten gehört. Der Mensch ist eben mehr als nur sein Körper und dessen Leiden. Es gibt für viele die Sehnsucht nach einem Himmel. Nur: Wer hilft einem, darauf zu vertrauen?

Wie gut, dass es fast überall Frauen und Männer gibt, die als Seelsorgerinnen und Pfarrer in den Kliniken präsent sind. Tag und Nacht kann man sie erreichen, wenn es dringend ist. Sie sind hoch qualifiziert und für die Ärzte und Schwestern oft ganz wichtige Partner. Dafür bilden sie sich laufend fort, damit sie sich auskennen, wenn es um Therapien geht, um Sterbehilfe und ums Trauern, das ja schon vor dem Sterben beginnt. Wie gut, dass es dafür Kirche gibt. Danke an alle Frauen und Männer, die sich Tag für Tag dieser schweren wichtigen Aufgabe stellen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38412
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