SWR1 3vor8
Wenn ich im Alltag an meine Grenzen stoße und ich merke, dass mir die Kraft ausgeht, dann braucht es manchmal nur noch eine Kleinigkeit - irgendetwas Unvorhergesehenes - und es haut mich vollends um. Als hätte es die Welt auf mich abgesehen, denke ich dann. Das ist natürlich total übertrieben. Aber trotzdem komme ich mir dann vor wie ein langer Grashalm oder ein Schilfrohr im Wind, das langsam eintrocknet und spröde wird: Ohne Widerstandskraft. Ohne Optimismus angesichts der schlechten Stimmung bei uns und den schlechten Nachrichten abends vorm Fernseher. Und wenn dann privat auch noch ein Sturm losbricht, es mir zu viel wird oder irgendetwas Unvorhergesehenes passiert, dann knicke ich um, wie ein Rohr im Wind.
Als hätte es die Welt auf mich abgesehen. Aber das hat sie natürlich nicht. Und ich will auch nicht glauben, dass sie von irgendwelchen Kräften regiert wird, die alle meine Versuche zu Nichte zu machen, ordentlich durchs Leben zu kommen. Ja, manchmal kommt es mir so vor, und ich fühle mich geknickt. Aber eben „nur“ geknickt – und nicht gebrochen.
Ich hoffe und vertraue darauf, dass da eine andere Kraft ist, die in Wirklichkeit die Welt regiert – und MEIN Leben regiert. Ein Herrscher, von dem heute in vielen evangelischen Gottesdiensten die Rede ist und von dem es in der Bibel, beim Propheten Jesaja heißt: „Das geknickte Schilfrohr wird er nicht abbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen. Unbeirrbar setzt er sich für das Recht ein. (Jesaja 42,3 in de Übersetzung „Hoffnung für alle“)
Manchmal fühle ich mich wie ein Schilfrohr im Wind. Und denke: Was kann ich armer Halm im Wind schon ausrichten gegen Ungerechtigkeit, gegen Kriege, Umweltzerstörung oder den Hunger auf der Welt. Ich werde ja schon mit meinen eigenen kleinen Problemen kaum fertig. Und ich fühle mich geknickt. Aber eben „nur“ geknickt, und nicht gebrochen.
Die Welt legt es nicht darauf an, mich zu brechen. Und die Flamme der Begeisterung will sie auch nicht auslöschen: für meine Arbeit, für mein Engagement in meinem Verein, bei einem sozialen Projekt oder auch in meiner Familie – selbst wenn der Docht gerade nur noch glimmt. Ich will glauben, dass Gott das nicht zulassen wird. Und eine Kraft als Herrscher über mein Leben eingesetzt hat, von dem es heißt: „Das geknickte Schilfrohr wird er nicht abbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen. Unbeirrbar setzt er sich für das Recht ein.“
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