Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

„Eine Welt, in der Hund auch nur ein einziges Mal Prügel bekommen kann ohne dass er sie verdient hat, kann keine vollkommene Welt sein.“
Ein Spruch des Dichters Friedrich Hebbel, wie geschaffen für Hundehalter und Moralphilosophen. Denn um die Kardinaltugenden geht es mir diese Woche. Und als die erste, wichtigste und scheinbar auch schwierigste Tugend gilt die Gerechtigkeit. Was aber hat die Gerechtigkeit mit dem Hund von Friedrich Hebbel zu tun?
Der Spruch mit dem Hund zeigt zweierlei: Die Welt, also die Menschen sind nicht vollkommen und deshalb gibt es dauernd Fehler und Ungerechtigkeiten. Zweitens: einen Hund zu schlagen, ist nicht gerecht. Was aber ist gerecht? Auf jeden Fall einen Hund so zu erziehen, dass er nicht Dinge tut, die ihm oder anderen schaden. Das Beispiel mit dem Hund zeigt aber noch etwas anderes, ganz wesentliches beim Thema Gerechtigkeit: Es ist einfach entwürdigend ein Lebewesen zu schlagen. Das sieht man schon an der Körperhaltung eines Hundes, wenn er sich duckt oder den Schwanz einzieht. Auch wenn es aus der Not der Verzweiflung manchmal sein muss, ein Tier zu strafen, irgendwie spürt man dann auch, dass es nicht richtig ist, nicht gerecht, nicht recht. Und genau das steckt auch im Wort Gerechtigkeit drin: aufrecht sein, sich recken, gerade machen. Gerechtigkeit bedeutet von seinem Wortursprung her, also nicht nur gerechtes Verteilen, sondern sich so verhalten, dass ein Lebewesen seine Würde behält. Bei Tieren, dass man sie nicht quält und sie dadurch ängstlich oder scheu werden. Und beim Menschen, dass er wirklich aufrecht, gerade bleibt. Äußerlich und innerlich.
Wenn man sich möglichst oft so verhalten kann, dann ist es einem gelungen, eine der Kardinaltugenden zu verwirklichen. (Kardinaltugenden haben übrigens nichts mit Kardinälen zu tun, sondern in ihnen steckt das lateinische Wort cardo, das heißt Tür-Angel. Die Scharniere, an denen die Türen aufgehängt sind.) Also Tugenden, von denen nicht alles aber viel Gutes im Leben abhängt.) Tugenden, die die Menschen innerlich gerade und damit auch schön machen. Die schöne amerikanische Schauspielerin Audrey Hepburn hat das einmal so ausgedrückt:
„Wie bekommt eine Frau schöne Lippen? Indem sie nur das Beste über ihre Mitmenschen sagt. Wie bekommt sie schöne Augen? Wenn sie nur das Gute in ihrem Gegenüber sieht. Eine schlanke Figur? Wenn sie mit Bedürftigen teilt. Und wie bekommt sie eine gute Haltung? Indem sie den Kopf hoch hält, wenn sie durch den Sturm geht.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3790
weiterlesen...