SWR4 Sonntagsgedanken

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04JUN2023
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Wie kann es sein, dass der Mensch Jesus zugleich Gott ist? Das haben sich vor über 1500 Jahren mehr als 2000 Theologen bei einem Konzil gefragt. Sie haben darüber gestritten: zwei ganze Monate lang! Das war in dem Ort Nicäa in der Nähe des heutigen Istanbul.

Zwei Monate haben sie gestritten und debattiert: Ist Jesus ein Mensch gewesen? Oder war er Gott – genau wie der, der Himmel und Erde erschaffen hat? Aber wie soll Jesus die Welt erschaffen haben? Er ist schließlich nicht schon immer da gewesen, sondern wurde irgendwann einmal geboren – wie alle anderen Menschen auch. Also doch nicht Gott? Wenn Jesus trotzdem genauso Gott ist, wie Gott der Vater – haben Christen dann nicht zwei Götter? Oder sogar drei – denn der Heilige Geist kommt ja auch noch dazu…

Heute kommen uns solche Diskussionen vielleicht weltfremd vor. Aber damals ging es darum, wie sich die Christen verstehen können. Es ging darum, wie sie den Glauben an den einen Gott vereinbaren können damit, dass Jesus Gottes Sohn war und der Erlöser der Welt.  

Am Ende des Konzils stand ein Kompromiss, und es wurde ein Glaubensbekenntnis formuliert, das in christlichen Gottesdiensten bis zum heutigen Tag an hohen Feiertagen gesprochen wird. Dort heißt es über Jesus, er sei „gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater.“

Zugegeben – auch das klingt immer noch sehr abstrakt.

Aber die Frage treibt mich auch heute um: Wo begegnet mir Gott? Und wer ist Gott für uns? Die Antwort der Theologen von damals lautete. Der eine Gott, das sind drei – der eine Gott, das ist Vater, Sohn und Heiliger Geist. Alle drei zusammen sind der eine Gott.

Mir hilft das, die verschiedenen Weisen zu sehen, mit denen Gott sich mir und der Welt zeigt. Der Vater ist der Schöpfer der Welt. Er hat die Welt ins Leben gebracht und Ordnung ins unendliche Universum. In Jesus Christus hat er uns seine Menschlichkeit gezeigt – und ist selbst Mensch geworden, mit allen Seiten, die das menschliche Leben so zu bieten hat. Mit Lust und Liebe, mit Schmerz und dem Einsatz für eine bessere Zukunft. Mit der Auferstehung Jesu von den Toten hat Gott uns allen die Aussicht auf ein neues Leben jenseits des Todes geschenkt. Der Heilige Geist ist der Windhauch und der Atem Gottes. Er hält den Glauben lebendig und er eröffnet ungeahnte Perspektiven.  

Wie Gott ist, wie wir ihn – oder sie – uns vorstellen können, das bleibt geheimnisvoll. Gott zeigt sich als der, der er ist – als Vater, als Sohn und als Heiliger Geist. Wir sind auf seinen Spuren unterwegs.

Das Geheimnis Gottes zu verstehen ist eine Aufgabe für mehr als ein Leben. Gott wirkt auf vielfältige Weise in unserem Leben, er ist Vater, Sohn und Heiliger Geist. Heute ist der Sonntag, der dem dreieinigen Gott gewidmet ist.

Trinitatis heißt der Sonntag heute. Gottes Wirken in meinem Leben ist oft rätselhaft, manchmal handfest wie der Schöpfer bei der Schöpfung, manchmal verwundbar und heilsam wie Jesus gewirkt und gelebt habt, manchmal leicht und weit wie der Heilige Geist, der dem Leben eine neue Richtung gibt. Die ganz unterschiedlichen Texte der Bibel, die von der Geschichte Gottes mit der Welt erzählen, sind Teil einer großen Suchbewegung. Wenn ich diese Texte lese, dann mache ich mich mit auf die Suche danach, was Hoffnung schenkt und Zuversicht über den Tod hinaus. Das, was Halt gibt und trägt, ist in ganz unterschiedlichen Worten und Stimmen zu hören. Die gute Nachricht wird nicht nur in geschliffenen Formeln hörbar, sondern auch im suchenden Stammeln.

Mich erinnert die Vorstellung von Gott als Vater, Sohn und Heiligem Geist daran, dass er mir auf unterschiedliche Weise begegnet und dass Gott in sich selbst so vielfältig ist wie das Leben und die Welt.

Dem Propheten Jesaja aus dem Alten Testament erscheint Gott gewaltig und groß. Da wird erzählt, wie er in einem überdimensionierten Gewand dasitzt und einen ganzen Raum füllt. Und um ihn herum schwirren besondere Engel. Seraphim. Jeder mit sechs Flügeln.

Ich denke auch an Maria von Magdala. Ihr begegnet Gott als Freund und Vertrauter, ganz nah. Den Jüngern begegnet Gott als Heiliger Geist, der sie mitreißt und wie ein frischer Wind hinaus aus den Mauern ins Leben bläst.

Gott zeigt sich dieser Welt auf ganz unterschiedliche Weise. Wie Göttliches und Menschliches zusammenwirken bleibt ein Geheimnis.

Aber so viel ist sicher: Gott lässt diese Welt als ihr Schöpfer nicht im Stich, er steht an unserer Seite und entreißt uns dem Tod als der Sohn Jesus Christus und er durchweht mein Leben mit seinem Geist, der mich in Bewegung setzt.

Ich wünsche ihnen einen bewegten Sonntag und eine gesegnete Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37758
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