SWR2 Wort zum Tag

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22MAI2023
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Die Eucharistie ist nach Aussage des II. Vatikanischen Konzils „die Quelle, aus der alle Kraft der Kirche strömt“. Zehntausende von Kindern im Land, meist um die neun Jahre alt, haben in den letzten Wochen an diesem Sakrament zum ersten Mal selbst teilhaben können, das für uns Katholiken so zentral ist. Dieses Jahr war ich zu einer Erstkommunionfeier im Kreis der Familie eingeladen und konnte so selbst erfahren, was das im Jahr 2023 bedeutet. Mein Neffe beging seinen „Weißen Sonntag“ in einer Großstadtpfarrei in einer traditionell sehr katholischen Region. Eine Kirche, die beim selben Anlass vor einigen Jahren noch überfüllt gewesen wäre, war jetzt höchstens noch ‚gut besucht‘. Aus Jahrgängen, die früher geschlossen dieses Fest begingen, kam jetzt vielleicht nur noch die Hälfte der Kinder. Ob es hier wohl auch so sein wird, habe ich mich gefragt, dass in vielen Fällen die erste heilige Kommunion gleichzeitig auch die letzte ist? Oft begehen Familien ja dieses Fest, weil es für das betreffende Kind ein Anlass ist, einen Schritt in seiner Entwicklung zu feiern und das mit der Familie und den Verwandten zu tun. Ob dabei ein starkes religiöses Interesse vorliegt, ist eine andere Frage. Zwar sind Menschen heute insgesamt nicht weniger spirituell, aber die Art wie sie dies in ihrem Leben umsetzen, wird in unseren europäischen Gesellschaften immer individueller und mehr auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten. Oft kommen Kinder nach der Erstkommunion kaum noch mit kirchlicher Praxis in Berührung. Und wenn sie später vielleicht noch zur Firmung gehen, dann nicht selten, weil die Eltern oder Großeltern sie dazu drängen. „Okay, dann mache ich eben noch einmal mit“, so die Einstellung. Das Sakrament, das der Stärkung des Glaubens dienen soll, wird nicht selten zum Sakrament des Abschieds von der Kirche.

Ist das alles ein Verlust für uns Menschen und für unsere Gesellschaft? Die sogenannte „Weltwertestudie“, ein globales Forschungsprojekt zu sozialen, religiösen und kulturellen Werten kommt zum Ergebnis, dass die Menschheit sich auf dem Weg eines emanzipatorischen moralischen Fortschritts befindet und sich immer selbstbewusster ihre Werte sucht. Dies sei so, obwohl die Rolle von organisierter Religion tendenziell dort abnimmt, wo Menschen wirtschaftlich gesichert leben können.

Ich sehe das als eine Chance und Herausforderung für uns gläubige Menschen und für die Kirche: Weil niemand mehr mitmachen muss, sind wir gezwungen uns darauf zu besinnen, wie wir einen Glauben vermitteln können, der Menschen stärkt und stützt und auch dann noch relevant ist, wenn sie gelernt haben, für sich selbst zu denken und zu entscheiden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37710
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