SWR1 Begegnungen

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18MAI2023
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Philipp Geißler

Barbara Wurz trifft Philipp Geißler. Seit 2020 ist er Sportpfarrer der württembergischen evangelischen Landeskirche. Er leistet die Vernetzung zwischen Kirche und Sport im Land und ist Ansprechpartner für sportpolitische Themen und Sportverbände. Nur - was genau kann man sich darunter vorstellen? Einen Pfarrer auf dem Fußballplatz? Einen Seelsorger für die Seniorengymnastikgruppe oder gar einen Missionar unterwegs auf den Joggingstrecken des Landes? Pfarrerin Barbara Wurz hat den begeisterten Sportkletterer gefragt, warum die Kirche einen Pfarrer extra für Sport tatsächlich braucht.

Teil I

„Einen Sportbeauftragten der evangelischen Kirche in Württemberg? So was gibt’s?“ Ehrlich gesagt war das meine erste Reaktion als vor drei Jahren Pfarrer Philipp Geißler in dieses Amt gewählt wurde. Und ich hatte so meine Zweifel, ob er damit Erfolg haben würde. Die großen Sportverbände des Landes für Kirche und Glaube interessieren? Ob er da auf offene Ohren stoßen würde - heutzutage, wo die Bedeutung der Kirche angeblich immer mehr schwindet?

Schönerweise hab ich von Seiten vom Sport her bisher eigentlich nur Begeisterung erlebt. … Also der Sport hat sich diese Stelle gewünscht … weil der Sport tatsächlich eine Kontaktperson haben wollte in Blick auf die Kirche. (…) Also ich habe ein offenes Ohr und Begeisterung erlebt, weil die Menschen sich einfach unglaublich freuen, wenn man sich für das, was sie machen, interessiert. (37:54 - 38:44)

Philipp Geißler ist ein offener und interessierter Mensch - auch ich spüre das sofort. Ein paar Bedenken zu seinem Amt habe ich trotzdem noch. Ich bin gespannt ob er glaubhaft erklären kann, Ob er mir erklären kann, was Schwimmen und Joggen mit Glauben und Seelsorge zu tun haben.

Für mich persönlich, wenn ich zum Klettern geh‘, dann bin ich da in dem Moment ganz im Tun - und eben nicht in dem, was morgen ist, was übernächste Woche ist, was letzte Woche war, weil wenn ich hochklettern will und muss mich da festhalten, muss mich da anstrengen, dann kann ich nicht nebenher an X andere Sachen denken. (18:14 - 18:36)

Ja, auch Sport ist eine Form von Seelsorge, wenn er dabei hilft, den Menschen wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Der christliche Glaube ist gar nicht so leibfeindlich, wie man manchmal meint. Davon ist Philipp Geißler überzeugt.

Es geht wirklich da drum, dass es eine Balance gibt für den Menschen - von diesem geistlichen und diesem Körperlichen - und da ist Sport ganz arg wichtig. (17:46 - 17:54)

Was aber nicht heißt, dass der Theologe Geißler den Sport missionieren will. Er ist ein Netzwerker mit dem nötigen Respekt vor seinem Gegenüber. Und wenn man genau hinsieht, finden sich erstaunlich viele Berührungspunkte zwischen Glaubenshaltung und Sport. Besonders spannende Begegnungen und Gespräche hat Philipp Geisler eine Zeit lang in seinem Podcast „O Sport, Herr Pfarrer!“ festgehalten:

Ich hab‘ einen Pfarrkollegen, der gleichzeitig Leichtathletik-Trainer ist. Ich hab‘ einen Pastoren, der eine Kletterkirche aufgemacht hat. … Ich hab‘ mit einer Psychologin gesprochen, die sich so fürs Frauenbild im Sport interessiert.

Ein Pfarrer als Sportbeauftragten der evangelischen Kirche? Ja, das gibt’s - und der hat viel zu tun. Wie seine Aufgabe als Vorsitzender des Arbeitskreis‘ „Kirche und Sport“ aussieht, darüber unterhalte ich mich mit Philipp Geissler im zweiten Teil.

Teil II

Pfarrer Philipp Geißler ist Sportbeauftragter der evangelischen Kirche und damit auch Leiter Arbeitskreises Kirche und Sport. Beide großen Konfessionen, der Württembergische Landessportbund und das Kultusministerium arbeiten hier an gemeinsamen Themen wie Integration, Ehrenamt oder Jugendförderung. Aktuell auf der Tagesordnung steht die Frage, was es heißt, wenn sich ein Kind in seiner Sportart als echtes Talent entpuppt - vielleicht sogar Profi werden möchte? Können Sportverbände die Familien der Kinder unterstützen, wenn Zeitaufwand und Belastung steigen?

In diesen Vereinen sind die Trainer mit dem Trainieren der Kinder und Jugendlichen beschäftigt. Die haben nicht die Zeit, dann auch noch Elternarbeit zu leisten. Und gleichzeitig wäre es aber aus unserer Warte schön und sinnvoll, wenn es da zum Beispiel jemanden gäbe, der anbieten und sagen kann: Wenn dein Kind auf dem Sprung ist in eine sportliche Karriere und ihr da fragen habt, bieten wir einen Raum wo ihr euch sportartenübergreifend untereinander austauschen könnt.

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass es einen solchen Ansprechpartner bald geben wird. Alle Ideen des Arbeitskreises lassen sich allerdings unmöglich weiter verfolgen. Pfarrer Geißlers Meinung nach finden sich gemeinsame Anliegen von Kirche und Sport sowieso im alltäglichen Leben. Einfach machen - ist seine Devise - gerade dann, wenn einem im eigenen Heimatort ein Problem vor die Füße fällt.

Ich bin hier im Asyl-Kreis, dann kam Corona, 100 Leute in der Asyl-Unterkunft, die schlicht nicht raus können. Und die ganzen Kinder, die keine Bewegung haben. Die kannst du nicht einfach in einen Sportverein da in so ne Fußballgruppe stecken….Und dann war nur die Überlegung zu sagen: Hey, wenn man zu fünft draußen Sport machen darf unter Corona - könnten das nicht Leute aus der Kirchengemeinde unterm Dächle vom Sportverein machen? (34:46 - 35:10)

Glaube und Sport passen gut zusammen. Und immer mehr Menschen leben das - wie ein Mann, dem Philipp Geißler in der Kletterhalle begegnet ist und erzählt hat, dass er sonntags entweder zum Klettern in die Berge geht - oder zum Gottesdienst in die Kirche. Kirche und Sport haben eine gemeinsame Zukunft. Beide tun sicher gut daran, sich nicht aus den Augen zu verlieren:

Und wir erwarten, so als Kirche, dass man sonntags in den Gottesdienst kommt - kann man erwarten. Und vielleicht ist es dann auch schön, wenn ihr euch an den Rand vom heimischen Fußballfeld stellt. Und euch auch für das interessiert, wofür sich die Menschen interessieren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37705
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