SWR3 Gedanken

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25MAI2023
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Sonnenuntergang in der Toskana. Nach vielen Stunden im Zug warte ich darauf, von Freunden abgeholt zu werden, damit der Urlaub beginnen kann. Als ich ins Auto einsteige, ist es fast dunkel und wir fahren 20 Minuten über Stock und Stein. Ich sehe nur noch Umrisse, Silhouetten und erahne, dass wir da mitten auf dem Land unterwegs sein müssen. Hundemüde falle ich ins Bett.

Am andern Morgen öffne ich den grünen, typisch italienischen Holzfensterladen. Und traue meinen Augen nicht: Ich blicke in ein atemberaubend schönes Tal. Zypressen, Olivenbäume und Pinien umranken das Panorama. Ich bin hellwach und schicke ein Dankgebet gen Himmel.

Und dann fällt mir eine Bibelstelle ein: „Jetzt […] sehen wir nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen.“ (1 Kor 13,12) Paulus hat das in einem Brief geschrieben. Nicht über die Toskana, sondern über seinen Glauben an Gott. Und diesen Kontrast- von rätselhaften Umrissen zum klaren Blick – den hab ich zwischen meiner Ankunft am späten Abend bis zur Morgendämmerung selbst durchlebt. Diese Erfahrung hilft mir jetzt Paulus besser zu verstehen: Dass wir hier auf Erden nämlich immer nur vorläufig von Gott sprechen können, dass wir von ihm immer nur einen Teil erkennen, vieles vielleicht auch rätselhaft und im Dunkeln bleibt. So wie bei der Autofahrt zur Unterkunft am Abend. 

Der wunderbare Blick am Morgen in die Schönheit der Toskana erinnert mich dann aber auch daran, wie das wohl wird, wenn ich irgendwann Gott von Angesicht zu Angesicht sehe. Wenn ich bei meinem Schöpfer ankomme und sich vielleicht auch manche Frage und manches Ungeklärte erhellt. Bis dahin freue ich mich an der Schönheit seiner Schöpfung, in der ich schon heute seine Spuren erkennen kann.

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