SWR2 Zum Feiertag

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18MAI2023
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Professor Heino Falke Copyright: Boris Breuer.

Christopher Hoffmann spricht mit Prof. Heino Falcke

Ich bin Christopher Hoffmann von der katholischen Kirche. Mein Gesprächspartner heute am Fest Christi Himmelfahrt ist der Astrophysiker Heino Falcke. Weltweit bekannt wurde er als er mit seinem Team 2019 das so genannte Schwarze Loch fotografiert hat und dieses Bild milliardenfach um den Globus ging. Der 56-Jährige Wissenschaftler ist eine Koryphäe der Astrophysik, lehrt und forscht an der Universität Nimwegen in den Niederlanden und er ist gläubiger Christ. Und deshalb scheint er mir prädestiniert als Gesprächspartner heute am Fest Christi Himmelfahrt. Im Englischen gibt es ja zwei Begriffe- also einmal „sky“ für den astrophysikalischen Himmel und „heaven“ für den religiösen Himmel. Im Deutschen haben wir nur diesen einen Begriff - „Himmel“ - und das führt auch am Fest Christi Himmelfahrt immer wieder zur Verwirrung. Herr Professor Falcke, von welchem Himmel ist denn da heute die Rede?

Professor Heino Falcke:

Bei der Himmelfahrt geht es natürlich um den religiösen Himmel. Aber ich glaube, dass der astronomische Himmel, den wir bewundern von der Erde aus da auch ein Symbol für ist. Weil wenn man sich mal nachts hinlegt und hat die Chance in einer dunklen, klaren Nacht mal nach oben zu schauen, dann erfährt man das, was viele Generationen seit tausenden von Jahren eben erfahren haben, die merken: Da ist etwas Größeres, etwas was weiter ist. Was auch Fragen an uns stellt. Und deswegen steht auch dieser astronomische Himmel so ein bisschen Symbol glaube ich für den religiösen Himmel, der weiter ist, der transzendenter ist, der uns herausfordert auch über unsere eigenen Grenzen hinaus zu denken und zu glauben und zu hoffen. 

Eine Frage die Sie sich ja vor vielen Jahrzehnten schon gestellt haben ist: Kann man Schwarze Löcher fotografieren? Kann man die abbilden? Und 2019 wurden Sie dann mit Ihrem Team bekannt, als Sie das geschafft haben. Können Sie uns zunächst erklären: Was ist ein schwarzes Loch überhaupt?

Ja, ein schwarzes Loch ist unfasslich viel Materie zusammengepresst in kleinstem Raum. Schwarze Löcher repräsentieren die perfekte Dunkelheit, das Ende von Raum und Zeit. Und wir können schwarze Löcher selber nicht sehen, weil sie ja keine Information von sich geben, aber wir können sehen was fehlt: das fehlende Licht, wir sehen den Schatten schwarzer Löcher und das ist das, was wir damals abgebildet haben, den Schatten eines schwarzen Lochs.                    

Kann man das in ein Bild fassen? Sie haben glaube ich mal Weltraumfriedhof das in einem Buch auch genannt?                                                                                               

Ja, Schwarze Löcher sind tatsächlich ein Weltraumfriedhof, weil wenn große Sterne sterben dann bleibt am Ende nur dieses kleine schwarze Loch. Und Schwarze Löcher können immer nur wachsen, weil alles immer nur reinfallen kann, sie können verschmelzen, sie werden größer und größer, es ist eigentlich das absolute Endstadium von allem.

Wenn ich Ihnen zuhöre: das klingt durchaus auch bedrohlich, also da könnte man vielleicht auch fragen: Hat das Leben dann überhaupt einen Sinn, wenn sowieso irgendwann alles von einem Schwarzen Loch aufgesaugt wird? Aber Sie halten erstaunlicherweise dagegen und haben in einem Interview einmal gesagt: „Ich vertraue darauf, dass das was ich mache Sinn hat. Woher kommt ihr Vertrauen?                                       

Ja, das ist tatsächlich so ein Urvertrauen, ein Urglaube der da ist. Wir lernen ja, dass unser Leben endlich ist. Wir werden geboren, wir werden wieder sterben. Wir werden nichts mitnehmen von dem, was wir hier auf der Erde schaffen. Und auch das ganze Universum ist entstanden und wird wieder vergehen, nichts bleibt am Ende. Und doch sind wir glaube ich eingebettet in eine größere Wirklichkeit, in eine größere Hoffnung. Wir kommen von einem Schöpfer, in meinem Glauben von einem Schöpfer und gehen wieder zu einem Schöpfer. Und da bin ich zu Hause. Und da empfinde ich auch den Sinn meines Lebens, der sich nicht darauf beschränkt, was ich hier auf der Erde tue. Das ist meine Aufgabe vielleicht, aber nicht mein Sinn alleine. 

Sie haben gemeinsam mit dem Spiegelredakteur Jörg Römer ein Buch über Astrophysik geschrieben. Es heißt: „Licht im Dunkeln“*. Sie sind Naturwissenschaftler und Sie sind gläubiger Christ – wie geht das für Sie zusammen?

Am Ende lerne ich in der Physik, dass ich nicht alles wissen kann. Ich kann nicht alles vorausberechnen, ich kann mein Leben auch nicht machen. Ich bin am Ende immer auf dieses Vertrauen angewiesen. Und ich kann daran verzweifeln und mich ärgern oder ich kann einfach sagen: Nein, ich bin in guten Händen. Und das ist eine Grundentscheidung, die ich irgendwann treffen muss. Und die hängt nicht davon ab, was ich mache, was ich tue. Und es hängt auch nicht davon ab, was die Kirche sagt oder nicht sagt, sondern es hängt davon ab, dass ich am Ende ein JA sage zu diesem Schöpfer und sage: JA, ich bin geliebt. Ich habe hier einen Platz auf dieser Erde. Und ich darf das auch genießen und annehmen und bewundern und bestaunen, was da ist auf dieser Welt. Wenn ich durchfrage: Wo kommt das alles her? Wie funktioniert das? Komme ich eigentlich immer auf die Frage nach dem Anfang, nach dem Ursprung. Ja, dann komme ich vielleicht zum Urknall-aber wo kommt der Urknall her? Gab es da ein Multiversum davor? Ok, dann gab es ein Multiversum davor, aber wo kommt das dann wieder her? Wo kommen die Regeln her aus denen alles entstanden ist? Und diese Grundfragen, die kann die Naturwissenschaft einfach nicht beantworten. Die muss ich füllen mit meinem Glauben, mit meinen Überzeugungen, die ich habe. Und ohne Glaube, glaube ich, kommen wir nicht weiter. Oder wir müssen aufhören zu fragen.

Ein sehr tröstliches Wort, eine Zusage, enthält das Matthäusevangelium zum Fest Christi Himmelfahrt. Da sagt Jesus Christus: „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20). Was bedeutet Ihnen das?                                                                        

Es ist tatsächlich dieser nahe Gott. Wir hatten am Anfang diesen Schöpfergott, der ist sehr weit weg. Das ist ein philosophischer Gott. Und in Christus haben wir eigentlich eine Gotteserfahrung, die sehr persönlich ist. Und zu wissen: dieser Gott, der eigentlich so weit weg ist, der ist in Menschen und in Christus mir nahe, mein ganzes Leben lang, von Anfang bis ans Ende und eben darüber hinaus, das ist glaube ich ein sehr tiefer wichtiger Glaube der Christen.

Das meinen Sie auch damit, wenn Sie sagen: „Gott ist für mich nicht etwas, sondern jemand?!“

Für mich ist Gott eben nicht nur etwas, sondern jemand, der mich wahrnimmt und dem ich was erzählen kann und von dem ich auch irgendwas erwarten kann in dem Gespräch, was ein Gebet ist zum Beispiel.

Für mich bedeutet diese Zusage Jesu auch: Wir sind nicht allein, obwohl Jesus uns vorausgeht und weggeht von dieser Welt, bleibt er irgendwie auch bei uns. Wie verstehen Sie das-wie bleibt Jesus uns nahe?

Ja, das ist ein sehr guter Punkt. Es ist so die Spannung in der wir leben grundsätzlich auch als Menschen. Wir können diese Welt gestalten, wir können unsere eigenen Entscheidungen treffen und die können gut und die können schlecht sein. Und wir sind keine Marionetten Gottes, die genau das machen müssen. Wir sind auch keine Steine - ein Stein zum Beispiel ist ja eine Marionette der Naturgesetze, der rollt sozusagen den Fluss runter oder den Berg runter und der hat keine eigene Entscheidungsmöglichkeiten. Wir als Menschen und das unterscheidet uns von fast aller anderen Materie in diesem Universum-wir können Entscheidungen treffen, wir können darüber nachdenken, was ist gut und was ist böse, was ist richtig und was ist falsch. Und genauso sind wir in der Spannung: Da ist Gott vielleicht da. Aber er ist auch weit weg.  Er lässt uns allein und doch suchen wir Gott wieder - also wir sind immer in dieser Spannung und wir haben nie die Sicherheit, wie Marionetten völlig festgebunden zu sein an einen Gott, aber wir sind auch nicht völlig losgelöst, zumindest das ist unser Glaube.

In der Apostelgeschichte fragen zwei Männer in weißen Gewändern die Jünger nach der Himmelfahrt Jesu: „Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ (Apg 1,11) Und das ist für uns ja auch heute noch eine Aufforderung, dass wir nach Jesu Himmelfahrt nicht nur wartend auf ein Jenseits diese Welt vernachlässigen sollen, sondern es gibt eine Sendung Jesu: Gestaltet diese Welt, bringt euch ein. Was ist Ihrer Meinung nach ein ganz aktueller Auftrag für uns als Christen, für alle Menschen guten Willens, wenn Sie auf diese Welt schauen?

Also ich glaube wir werden inspiriert durch den Himmel-das ist ganz entscheidend, ich glaub für Christen, dass sie inspiriert sind, aber dass sie mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen und ihren Nächsten im Blick haben. Das ist unser Auftrag: Auf den Nächsten zu schauen. Wir leben in einer Gesellschaft, die immer mehr auf sich schaut, die auf den einzelnen schaut. Ich glaub wir müssen als Christen auf die Gemeinschaft schauen, wir müssen die Hoffnung leben, weil wir haben große Herausforderungen mit Klima, mit auch dem Zusammenleben, mit Populisten in dieser Welt. Gesellschaft fällt auseinander und ich glaub, dass Christen da ein verbindender Kitt sein können.

Es gibt einen wunderbaren Psalm im Alten Testament, Psalm 8, ich mag ihn sehr und er wirft eine urmenschliche Frage auf, die Menschen seit Jahrtausenden stellen. Darin heißt es: „Seh ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Stern, die du befestigt- was ist der Mensch, dass du an ihn denkst? Des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ (Ps 8, 4-5) Ich würde diese Frage auch Ihnen gerne stellen, Herr Professor Falcke: Was ist der Mensch?             

Der Mensch ist rein physikalisch gesehen eine Ansammlung von Materie, von Naturgesetzen, von Strom, von Chemie, aber er ist was ganz Besonderes, weil er kann Geschichten erzählen, er kann lieben, er kann geliebt werden von dem Schöpfer, der das alles irgendwie zustande gebracht hat mit diesen vielen Naturgesetzen und diesen vielen Sternen und Galaxien und all das was wir hier tun, das ist schon was ganz Besonderes. Das kann kein Stern. Das kann kein Mondgestein, das kann kein Schwarzes Loch. Wir können glauben, hoffen, lieben.

Immer wieder kommen Sie auf drei Dinge: Glaube, Liebe, Hoffnung. Warum sind Ihnen diese drei so wichtig?                

Weil sie nicht verfügbar sind. Und weil sie uns glaube ich auch auszeichnen als Menschen. Glaube, Liebe, Hoffnung ist das, was die Welt besser machen kann. Das klappt nicht immer-ich glaub nicht immer ich lieb nicht immer, und manchmal bin ich auch hoffnungslos, aber sich immer wieder daran festzuhalten, das ist das Höchste.

Herr Professor Falcke, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

Gerne.

* Heino Falcke mit Jörg Römer: Licht im Dunkeln. Schwarze Löcher, das Universum und wir. Die illustrierte Ausgabe, Klett-Cotta, Stuttgart 2021.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37680
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