SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

22MAI2023
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Auf einem sozialen Netzwerk habe ich eine Diskussion verfolgt. Eine Frau hat geschrieben, wie hilfreich es für sie ist zu vergeben. Eine andere hat daraufhin gefragt: "Ich vergebe, aber ich vergesse niemals! Ist das jetzt Vergeben oder nicht?"

Sie hat vielleicht an den Spruch gedacht: Vergeben ja, vergessen nein. Der hat ja durchaus so einen Unterton von "Das vergesse ich dir nie!"

Vor einiger Zeit habe ich ein schlaues Buch von einer Philosophin gelesen. Sie findet vergeben superwichtig, denn es befreit die Seele. Vergessen jedoch, dazu rät sie nicht. Vielmehr meint sie, aus dem, was uns angetan wurde, können wir Wichtiges lernen. Und sie ist überzeugt davon, dass es schade wäre, dieses bitter, ja oft schmerzhaft erkaufte Wissen nicht zu nutzen. Das leuchtet mir ein.

Wir in Deutschland dürfen zum Beispiel nicht den Krieg vergessen, den wir 1939 angefangen haben, und nicht die Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden. Auch wenn manche meinen, dass allmählich mal Schluss sein müsste mit dem ständigen Erinnern. Gerade vor zwei Wochen, am 8. Mai, dem Tag der Befreiung von der Nazidiktatur, sind wir ja wieder daran erinnert worden. Und ich finde, das ist gut so.

Denn: Die grauenhaften Taten unserer Eltern und Großeltern müssen uns für immer eine Lehre sein. Wir können nur hoffen, dass ihnen vergeben wurde. Uns ihre Schuld auf die eigenen Schultern laden, das müssen wir nicht. Aber vergessen, auf keinen Fall.

Nur Gott kann es sich leisten zu vergessen. Wenn ich meine Sünden und Fehler bereue und bereit bin umzukehren, dann vergibt er mir. Und an meine Schuld denkt er nicht mehr. So steht es in der Bibel.

So kann ich jeden Abend den Tag in Gottes Hand legen und darf jeden Morgen neu anfangen. Denn bei Gott gilt: Vergeben und vergessen.

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