Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20MAI2023
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Hundertprozentig an Gott zu glauben – jeden Tag, in jeder Lebenslage, absolut. Das schafft niemand. Ich spüre deutlich, wie es in meinem Glauben ein Auf und Ab gibt. Mal ist mein Vertrauen groß, und ich bin mir ziemlich sicher, dass Gott die Welt gut gemacht hat und mich irgendwie schützen wird. Dann gibt es aber auch Zeiten der Verunsicherung, wo ich mir alles andere als sicher bin. Ganz besonders erschüttert es mich, wenn Verantwortliche in der Kirche Vertrauen missbrauchen. Und ich das als Repräsentant meiner Kirche dann mitzuverantworten habe, quasi in Sippenhaft genommen werde. Ich verstehe das zwar, aber es tut mir schon weh, wenn dann auch das Vertrauen darunter leidet, das mir andere normalerweise entgegenbringen. Vertrauen und Glauben hängen dabei unmittelbar zusammen. Erst recht dort, wo es darum geht, Menschen davon zu überzeugen, dass Gott es gut mit uns meint. So einfach ist das, und zugleich so bitter.

Dann gibt es noch etwas anderes, das meinen Glauben ins Wanken bringt. Das geschieht immer dort, wo ich die Kontrolle verliere. Wenn jemand schlecht von mir denkt und spricht. Wenn mein Körper nicht das macht, was ich will. Wenn an einem Tag alles anders läuft, als ich es geplant hatte. Mir ist schon klar, dass es eine Illusion ist anzunehmen, ich könnte in meinem Leben alles kontrollieren. Das geht nicht, und ich soll es auch nicht, weil es mir und anderen die Luft zu atmen nimmt. Aber eine starke Kraft in mir will trotzdem die Kontrolle behalten. Und es ist enorm schwer, diesen Zwang abzuschütteln. Ich habe mich gefragt, woher das kommt. Haben das meine Eltern in mir angelegt? Ist es eine genetische Veranlagung? Offenbar will ich mich schützen, indem ich die Kontrolle möglichst gut behalte. Wenn das aber nicht mehr funktioniert, dann spüre ich um so mehr, wie zerbrechlich mein Leben ist. Und: Ich schäme mich ein bisschen, weil es auch zeigt, wie schwer es mir fällt, mich Gott bedingungslos anzuvertrauen, letztlich an ihn zu glauben.

Glaube und Gottvertrauen kann man nicht machen. Sie entstehen nicht, indem man einen Schalter umlegt. Und ich … kann nicht aus meiner Haut. Ich muss mit den Gegebenheiten leben, wie sie sind. Was ich aber üben kann: geduldig sein und loslassen. Beides führt zu Gott.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37656
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