SWR2 Wort zum Tag

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12MAI2023
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Es ist Religionsunterricht, 8. Klasse in der Realschule. Zwei Schülerinnen verstehen sich so gut, dass sie keine Worte brauchen. Sie sitzen zwar weit weg voneinander, aber das hält sie nicht davon ab, miteinander zu kommunizieren. Ganz still und möglichst unauffällig versuchen sie, sich mit Handzeichen und Blicken etwas zu sagen, miteinander zu sprechen. Am Ende ist es mir als Lehrer dann doch aufgefallen und ich muss schmunzeln.

Das ist etwas Schönes, wenn ich mich so gut mit jemandem verstehe, dass ich keine Worte brauche.

Von früher her kenne ich das mit meinem Bruder. Als Musiker stand er oft auf der Bühne, während ich unten saß. Dann haben wir Blicke aus der Ferne ausgetauscht, wenn irgendetwas war. Auch heute gibt es immer mal wieder kleine Gelegenheiten, bei denen ich mit guten Freunden und Kollegen auch ohne Worte kommunizieren kann.

Witzig ist, wenn diese wortlose Kommunikation einmal daneben geht, wenn sich herausstellt, dass wir an völlig andere Sachen gedacht haben. Das kann auch passieren.

Klar, so ganz ohne Worte funktioniert es sicher in keiner Beziehung. Sie sind unverzichtbar dafür, dass eine Beziehung tragfähig wird. Eigentlich bilden sie die Basis dafür, dass so etwas gelingen kann – einen anderen ohne Worte zu verstehen. Denn dann ist eine tiefe Vertrautheit miteinander da. Man kennt sich gut, hat einander gern und versteht sich wie blind. Wenn ich so jemanden habe, weiß ich: da kennt mich einer ganz genau. Solche Freundschaften möchte ich schätzen und pflegen. Sie sind wertvoll und einmalig.

Für mich ist das auch in der Beziehung mit Gott so. Er ist eher so ein „Wortlos-Freund“, der mir etwas auf seine ganz eigene Weise sagen kann. Gott kann mir das eine oder andere Augenzwinkern schicken. Aber auch in meiner Beziehung zu Gott braucht es einmal Worte. Ich möchte ihn gerne auch einmal sprechen hören und suche immer wieder nach ihm und danach, was er mir auf meine Fragen antwortet, vor allem wenn ich bete. Diesen Gesprächsfaden möchte ich nicht abreißen lassen. Er ist so etwas wie unsere Basis.

Unter guten Freunden ist das Verstehen ohne Worte besonders schön. Bei Gott ist das für mich auch so. Wenn ich zum Beispiel mit dem Herzen spüre, dass ich jetzt gerade am richtigen Platz bin, wenn mich das Leben erfüllt und wenn ich mich getragen weiß. Dann verstehen wir uns gut, wir zwei, auch ohne Worte.

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