SWR4 Abendgedanken

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10MAI2023
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Nach den Erdbeben in der Türkei und in Syrien haben Journalisten ein Foto veröffentlicht, das mich kaum loslässt: Es zeigt einen Mann in Warnweste: Mesut Hancer. Er sitzt auf den Trümmerteilen seines Hauses und hält die Hand seiner Tochter. Sie ist tot. Nur ihre Hand schaut aus den Trümmerteilen hervor, ihr Körper ist noch darunter begraben. Ihr Vater sitzt bei ihr, hält ihre Hand und lässt sie nicht mehr los.

Zum einen wird das Leid deutlich, und es zeigt, wie ohnmächtig Menschen sich fühlen, wenn so etwas passiert. Und es zeigt auch, wie unfassbar groß die Liebe von Eltern sein kann.

Ich fühle etwas von der Trauer mit, die diese Eltern haben. Und ich weiß, dass sich das bei diesem Erdbeben zig-fach ereignet hat, was ich hier nur an einem Beispiel sehe. Wenn mir das schon so unter die Haut geht, dann ahne ich, dass ich gefühlsmäßig und in meiner Vorstellung gar nicht erfassen kann, was bei dieser Katastrophe an Leid geschehen ist. Dennoch verbindet es mich mit diesen Menschen, die ich gar nicht persönlich kenne. Sie leben in ihrem Land und ihrer Kultur so ganz anders als ich hier in Süddeutschland. Aber das haben wir als Menschen gemeinsam: Überall auf der Welt lieben Eltern ihre Kinder, sie wollen sie schützen und wünschen ihnen nur das Beste.

Als Christ finde ich dieses Leid unerträglich. Und ich frage mich, wie Gott so etwas zulassen kann, und wo er ist, wenn Menschen so etwas zustößt. Dazu gibt es natürlich viele theologische Antworten. Aber keine ist dem Leid angemessen. Und es wäre in meinen Augen auch eigenartig, wenn es dazu eine passende Antwort gäbe.

Ich will mir Gott nicht als einen Schöpfer vorstellen, dem hier eine grobe Panne passiert ist, oder als einen, der das Schicksal noch drehen könnte, weil er alles kann. Wenn er nur wollte. Für mich ist Gott eher wie dieser Vater, wie Mesut Hancer, der ohnmächtig mitleidet, wenn wir Menschen Schicksalsschläge aushalten müssen. Ich denke, so hat er auch mit Jesus gelitten, als er verzweifelt gestorben ist. Und so leidet er auch mit mir, wenn ich ohnmächtig einer Krankheit ausgesetzt bin, und mit allen, bei denen das Leben so hart zuschlägt.

Aber seine Stärke und Macht liegt in dieser Liebe, die uns nie verlässt und uns immer hält. Auch wenn ich falle, werde ich von ihm gehalten. Wenn ein menschlicher Vater das kann, wird Gott das auch einlösen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37629
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