Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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20MAI2023
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Für unser Büro haben wir einen neuen Computerbildschirm bekommen. Richtig groß! Das Teil ist wirklich super. Aber wenn ich daran arbeiten will, muss ich meinen Stuhl erst ein wenig nach hinten rücken. Erst so bekomme ich den vollen Überblick. Ein Stück zurück, um den Überblick zu behalten. Oft würde ich mir sowas auch in öffentlichen Debatten wünschen. Da macht zum Beispiel ein Politiker einen Vorschlag und schon geht’s ab im Netz. Abfällige Kommentare, hämische Bemerkungen. Ganz oft abwertend bis beleidigend. Ich gebe zu, manchmal ertappe ich mich auch selbst dabei, dass ich denke: „War ja klar! Was kann man von dem schon erwarten.“ Wenn ich ehrlich bin, ganz schön überheblich. Denn woher nehme ich eigentlich die Überzeugung, es besser zu wissen? Zu allem irgendeine Meinung zu haben heißt ja noch lange nicht, von allem auch Ahnung zu haben. Oft wäre es besser, mich erstmal selbst in der Sache kompetent zu machen, bevor ich mitrede.

Sicher, eine Demokratie lebt davon, dass Fragen kontrovers diskutiert werden. Dass man sich um die beste Lösung für alle auch offen streitet. Am besten mit heißem Herz, aber kühlem Kopf. Für mich gehören zwei Dinge unbedingt dazu: Solange da nicht gegen Menschen gehetzt und verleumdet wird, dem anderen zuzuhören. Wirklich aufmerksam zuzuhören! Das kann manchmal schwerfallen, wenn mir dieser Mensch vielleicht nicht sympathisch ist oder mir seine Argumente nicht passen. Und dann: Abwägen und Nachdenken. Auch darüber, ob nicht doch was dran sein könnte am Vorschlag des anderen.

In der Regel des Heiligen Benedikt, die der schon vor 1500 Jahren für seine Mönchsgemeinschaft aufgeschrieben hat, gibt es eine Stelle, die mich immer besonders beeindruckt. Wenn es um eine wichtige Entscheidung für die Gemeinschaft geht, dann soll nämlich nicht der Abt allein entscheiden. Vielmehr soll allen Mönchen aufmerksam zugehört werden, bis hin zum jüngsten Novizen. Denn vielleicht habe der ja gerade die Idee, die alle weiterbringt. Freiwillig ein Stück zurücktreten und anderen erstmal zuhören. Manchmal nicht die schlechteste Idee, um ans gewünschte Ziel zu kommen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37625
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