Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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11MAI2023
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Je älter ich werde, umso mehr träume ich. Früher bin ich morgens aufgewacht und konnte mich an nichts Geträumtes erinnern. Ganz selten mal war das anders. Jetzt träume ich fast jede Nacht.

Und zwar immer öfter von früher. Die Bilder meines Elternhauses, Erinnerungen aus der Kindheit wiederholen sich. Die vertrauten Stimmen der Eltern und Großeltern sind verblüffend nah. Unglaublich viele Kleinigkeiten und Details sind da offenbar in mir abgespeichert. Und im Alter habe ich endlich Zeit und Aufmerksamkeit dafür, ihnen Nachts zuzuhören und zuzuschauen.

Ganz überrascht aber hat mich, dass es nicht nur Gesichter, Stimmen und Ereignisse sind, von denen ich da träume, sondern auch Gerüche. Tatsächlich habe ich geträumt, wie es bei uns zuhause immer Samstag Nachmittags so ungefähr um 4 Uhr gerochen hat. Das war nämlich die betörende Mischung von Bohnerwachs und Streuselkuchen. Unfassbar delikat und unübertroffen intensiv, dieser Cocktail aus Sauberkeit und Backofen. Und wir wissen ja schon lange, dass unser Geruchsinn ein göttliches Geschenk ist, weil es so einen erheblichen Einfluss auf unser ganzes Befinden hat. Und dieser Samstagnachmittagsduft löst bei mir eine solch tiefe Geborgenheit aus, wie damals eben, wenn am Samstag so langsam die Welt angehalten wurde. Gott sei Dank, haben wir ein Näschen für Momente des Glücks und des gut Aufgehobenseins.

Als der deutsche Astronaut Alexander Gerst nach einem halben Jahr im All wieder auf die Welt gekommen ist, da hat er gesagt: „Die Erde riecht großartig!“  Riechen heißt erinnern und sich einfinden.  Wohlvertraute Gerüche machen, dass wir zuhause sind. Sogar im Traum.  Alle Nase lang…

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