SWR1 Begegnungen

SWR1 Begegnungen

07MAI2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in
Dr. Jennifer Achten Foto: Franz Fender

Annette Bassler trifft Dr. Jennifer Achten- Gozdowski, stellv. Leiterin des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN

Als promovierte Finanzwissenschaftlerin kennt Jennifer Achten sich aus in allen volkswirtschaftlichen Fragen und auf dem Aktienmarkt. Dort könnte sie auch viel Geld verdienen. Aber sie hat die evangelische Kirche in Hessen und Nassau als Arbeitgeberin gewählt. Warum?

Kirche ist eine Institution, die eine Pluralität an Meinungen beinhaltet und damit auch fertig wird. Die Mitglieder sind alle sehr vielfältig, haben ganz unterschiedliche Hintergründe und natürlich auch unterschiedliche Meinungen und Auffassungen zu Themen. Und das finde ich toll gerade heutzutage und nicht dichtmacht, in irgendein Extrem abdriftet, sondern wir halten das aus, wir gehen damit um.

Mit ihrem Fachwissen könnte Jennifer Achten eine Firma beraten, die auf dem Markt groß werden will. Aber sie will lieber in einem Kompetenzzentrum arbeiten, in dem es darum geht, christliche Werte in der Gesellschaft groß zu machen.

Also zum Beispiel: was dient den Menschen, um in Würde zu leben? Und das sind Fragen, die mich immer angetrieben haben. Jetzt als Wirtschaftswissenschaftlerin ist mir auch noch wichtig, dass sich Kirche auch mit wirtschaftspolitischen Fragestellungen auseinandersetzt.

Was ja heißt, sich tief in die aktuellen Konflikte der Gesellschaft einzuarbeiten. Mit Fachwissen und klarem Werte- Kompass. Soll Kirche sich einmischen? Kann sie das überhaupt? Ja, meint Jennifer Achten, sie muss es sogar, will sie ihrem Auftrag treu bleiben.

Also es geht um die Liebe zu Gott, aber auch um die Liebe zu den Menschen. Es geht natürlich um geistliches Innehalten, aber auch um Weltverantwortung. Und daraus ergibt sich eben, dass sich Kirche als gesellschaftliche Akteurin für das Wohl der Gesellschaft einsetzt, für ein gelingendes Leben und damit natürlich auch sich zu politischen Fragestellungen äußert.

Deshalb gibt es in dem Kompetenzzentrum, in dem sie arbeitet, Agrarwissenschaftlerinnen, Soziologen, Ökonomen und Theologen, die sich in die gesellschaftlichen Fragen einarbeiten. Und dann auf der Ebene des Landes und mit dessen Institutionen beratend tätig sind. Diese Arbeit wird von den Kommunen und dem Land sehr geschätzt. Was „Kirche“ tut in der Gesellschaft, das entscheidet nicht eine führende Geistlichkeit. Das entscheiden nach langem Beratungsprozess die vielen, die sich engagieren.

Kirche besteht ja nicht nur aus Hauptamtlichen, wir haben ja unheimlich viele Ehrenamtliche, die in der Kirche tätig sind. Das heißt, wir sind ein sehr komplexes Gebilde mit unglaublich viel Fachwissen und deswegen bin ich der Meinung, dass wir der Komplexität der Politik bestens gewachsen sind.

Das ist auch der Schatz, den Demokratie ausmacht. Auch wenn sie mühsam ist, ist die Chance groß, am Ende gute Entscheidungen zum Wohl von vielen zu finden. Jennifer Achten steht für kluge Entscheidungen im Umgang mit Besitz und Geld.
Mit ihren 38 Jahren befindet sie sich grade in der „Rush- hour des Lebens“. Das ist, wenn erste Familien- und Berufsjahre zusammenkommen. Jennifer Achten liebt ihre Kinder, ihre Familie. Und sie liebt ihre Arbeit als promovierte Finanzwissenschaftlerin. Im Zentrum gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau kann sie viel Segensreiches tun. Zum Beispiel Frauen darin zu unterstützen, sich eine eigene wirtschaftlichen Existenz aufzubauen.

Das heißt, es ist unheimlich wichtig, dass Frauen über ihre eigenen Finanzen Bescheid wissen. Dass sie wissen: was bekomme ich eigentlich aus der gesetzlichen Rentenversicherung? Gibt es bei meinem Arbeitgeber noch zusätzliche Möglichkeiten über eine private Altersvorsorge? Und was mache ich vielleicht selbst noch?

Denn Altersarmut ist noch immer weiblich. Und auch die Rente ist inzwischen alles andere als sicher. Deshalb empfiehlt Jennifer Achten jeder Frau, privat vorzusorgen und - an die Börse zu gehen. Wie das funktioniert, das erklärt sie Frauen online oder in übergemeindlichen Seminaren in einfachen Worten. Dabei zitiert sie gerne mal einen ihrer Lehrer.

Wenn es um langfristige Altersvorsorge geht- kaufen Sie sich ein paar Aktien. Streuen Sie das ein bisschen, um ihr Risiko etwas gestreut zu haben. Und dann gehen Sie in die Apotheke, kaufen Schlafmittel und schlafen zehn Jahre.

„Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf“ weiß schon ein alter Psalm. Man soll also durchaus nachdenken und klug entscheiden. Dann aber die Sorgen loslassen- Gott überlassen. Mit Gottvertrauen hat man nämlich die Hände frei für Andere. Damit die Welt auch für sie ein besserer Ort zum Leben wird.

Tatsächlich sind die Kirchen, würde ich sagen Pioniere in dem Bereich der ethisch nachhaltigen Geldanlage. Die Banken bieten sogenannte grüne Produkte an oder nachhaltige Produkte. Damit kennt sich die Kirche schon ganz lange aus und ist da auch schon ganz lange sehr aktiv und setzt sich dafür ein.

Geld ist dazu da, dass es für das Gute arbeitet. So habe ich Jennifer Achten verstanden. Das Geld der Kirche kann Firmen unterstützen, die Gutes tun für die Menschen. Als Großaktionärin hat die Kirche sogar noch eine Marktmacht, das heißt, sie kann Firmen dazu bringen, ein bisschen mehr für das Wohl aller zu tun- man nennt das „Engagement- Strategie“.

Das bedeutet: die Kirche ist als Aktionärin an einem Unternehmen beteiligt. Obwohl sie der Meinung ist, dass dieses Unternehmen noch einen gewissen Weg zu gehen hat in puncto Nachhaltigkeit, in puncto soziale Gerechtigkeit und so weiter. Weil sie einfach eine ganze Menge Aktien von diesen Unternehmen hält, hat sie aber natürlich andere- sag ich mal- Mitsprachemöglichkeiten als ein Einzelaktionär.

Und so kann Kirche positive Entwicklungen beschleunigen. Jesus hat mal gesagt: „Macht Euch Freunde mit dem schnöden Mammon!“ Denn Geld ist weder gut noch schlecht. Es ist das, was man draus macht. Gut also, wenn möglichst viele Menschen das Geld für etwas Gutes arbeiten lassen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37601
weiterlesen...