Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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13MAI2023
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Meine Frau und ich streiten uns. Zwei Dickköpfe gewillt, den Streit zu gewinnen. Ein Wort ergibt das andere. Immer einmal mehr als du. Der eigentliche Anlass des Streits spielt schon lange keine Rolle mehr. Jeder zieht das aus dem Köcher, was ihn schon immer am anderen gestört hat. Weil das macht sie immer so. Nein, gar nicht. Er hört einfach nie richtig zu. Es wird immer rauer, immer verletzender, immer fieser. Solange bis einer von beiden wutentbrannt den Raum verlässt. Ha, Sieg auf der ganzen Linie für den, der steht. Von wegen. In so einer Situation verlieren immer beide.

Meine Frau und ich kennen die wunden Punkte des anderen ganz genau. Wir drücken sie. Schaukeln uns hoch. Die Spirale der gegenseitigen Vorwürfe dreht sich immer schneller. Solange bis einer nicht mehr kann oder will. Nicht nur Paare können das gut. Auch zwischen Nachbarn, Verwandte oder Arbeitskollegen eskaliert es immer wieder. Geht das auch anders?

Jesus ist vielleicht nicht sehr bekannt als Konfliktberater und doch hat er etwas zum Thema Deeskalation zu sagen. In der Bergpredigt sagt Jesus:

„Ihr wisst, dass gesagt worden ist: ›Auge für Auge und Zahn für Zahn!‹ Ich sage euch aber: Wehrt euch nicht gegen Menschen, die euch etwas Böses antun! Sondern wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, dann halte ihm auch deine andere Backe hin!“

Auge für Auge, Zahn für Zahn. Das klingt in unseren Ohren nach ziemlich viel Gewalt. Doch schon Jahrhunderte vor Jesus war diese Regel dazu gedacht, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Sonst blieb es nämlich nicht bei einem Zahn. Wenn du mir einen Zahn ausschlägst, schlag ich dir mindestens 2 aus und so weiter. Gewalt sollte begrenzt werden, damit aus Kleinigkeiten keine riesigen Konflikte werden.

Jesus geht nun noch einen Schritt weiter. Wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, dann halte ihm auch deine andere Backe hin. Geht´s noch, Jesus!? Soll ich einfach alles hinnehmen, was andere mit mir machen? Soll ich jeden Mist wehrlos über mich ergehen lassen?

Nein, so meint Jesus das nicht. Auch hier geht es darum die Konfliktspirale zu durchbrechen. Damit nicht das geschieht, was ich von meiner Frau und mir geschildert habe. Es geht darum, den anderen zu überraschen. Etwas zu tun, das den Kreislauf von Vorwürfen und immer mehr Vorwürfen, von Gewalt und immer mehr Gewalt durchbricht.

Wie könnte das also aussehen, die andere Wange auch hinzuhalten?
Ich könnte hinhören und versuchen zu verstehen, anstatt sofort in Verteidigungshaltung zu gehen oder gar auf Angriffsmodus zu schalten. Ich könnte meine Frau einfach so in den Arm nehmen. Oder den Raum verlassen, um erstmal abzukühlen und nachzudenken. Oder statt eines Vorwurfs ein Kompliment zu machen.

Vielleicht so: „Danke, dass du mir sagst, wie sehr du dich über mich ärgerst. Weil wenn ich das nicht mehr hören würde, hieße das, dass du nicht mehr da bist.“ Und das würde ich auch trotz mancher Streiterei dann doch nicht wollen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37600
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