Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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12MAI2023
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Zusammen bahnen wir uns den Weg durch die Menschenmenge. Mein Freund Jamal und ich sind auf dem Weg ins Stadion. Endlich mal wieder. Viel zu lange bin ich nicht dort gewesen. Die Vorfreude ist riesig.

Zielstrebig schwimmen wir mit der Masse weiter. Bis zur Einlasskontrolle. Wir reihen uns ein. Die Ordner regeln den Verkehr. Viele werden einfach durchgewunken. Bis mein Freund Jamal an der Reihe ist. Der Ordner tastet ihn ab, ziemlich gründlich. Von Kopf bis Fuß. Sogar seine Mütze muss er abziehen. Schließlich darf er weiter gehen. Dann bin ich an der Reihe. Ein freundliches Lächeln, ein Durchwinken, das war´s.

Ich bin irritiert. Was war das gerade? Hat der Ordner gerade alle, die deutsch genug aussehen, anstandslos durchgewunken und meinen Freund libanesischer Herkunft fast bis auf die Unterhose gecheckt? Macht der Ordner hier diesen Unterschied oder macht das Unternehmen solche Vorgaben? Jamal ist weniger geschockt als ich. Das komme immer wieder vor. Das kommt immer wieder vor? Ich kann es gar nicht fassen.

Auf dem Weg zu den Plätzen beschäftigt mich die Szene weiter. Ich ärgere mich. Über den Ordner, der meinen Freund falsch behandelt hat. Aber noch mehr ärgere ich mich über mich selbst. Warum hast du nichts gesagt, Manuel? Da passiert so eine Ungerechtigkeit und du kriegst den Mund mal wieder nicht auf.

Gott schweigt nicht. Wenn es ungerecht zugeht, wenn Menschen diskriminiert oder unterdrückt werden. In der Bibel steht Gott ganz klar für das Recht derer ein, die diskriminiert werden. So sagt Gott seinem Volk Israel im Alten Testament:

»Sorgt bei Gericht dafür, dass gerecht geurteilt wird! Habt Nachsicht miteinander und seid barmherzig! Unterdrückt nicht Witwen und Waisen, Fremde und Arme! Plant nichts Böses gegeneinander!«

Gott stellt sich deutlich an die Seite der Unterdrückten. Gott hasst es, wenn Gerechtigkeit mit Füßen getreten wird und Menschen diskriminiert werden. Im Buch Amos sagt Gott sogar, dass die Israeliten mit ihren Gottesdiensten aufhören sollen. Gott kann ihre Lieder nicht mehr hören, wenn sie gleichzeitig das Recht verdrehen und andere unterdrücken. Diskriminierung regt Gott auf und das sagt er dann auch.

Auch Tage später beschäftigt mich die Situation an der Einlasskontrolle noch. Ich entscheide, eine Mail an den Verein der Heimmannschaft zu schreiben. Das ist nicht viel, aber wenigstens etwas will ich noch tun. Ich bekomme sogar eine Antwort, in der der Verein sein Bedauern ausdrückt.

Beim nächsten Mal will ich nicht mehr schweigen. Vielleicht verdächtige ich den Ordner ja auch zu Unrecht. Vor allem aber für meinen Freund Jamal. Ich könnte beispielsweise darum bitten, dass der Ordner mich genauso abtastet wie meinen Freund. Gleiches Recht für alle. Ich kann nicht verhindern, dass meinem Freund Unrecht geschieht. Aber er soll spüren, dass ich an seiner Seite stehe.

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