Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

11MAI2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Überweist du bitte die 350 € für die Klassenfahrt.“ Die Stimme meiner Frau hallt in meinem Kopf. „Und nachher bin ich beim Friseur. Holst du bitte die Kinder ab?“ Ich merke, wie die Unruhe in mir wächst. Meine Frau beim Friseur, das sind dann nochmal knapp 100 €. Zwei Rechnungen liegen noch unbezahlt vor mir auf dem Tisch. Meine Finger werden schwitzig. Den Räderwechsel am Auto habe ich extra schon in den Mai geschoben. War das Profil noch in Ordnung oder stehen da auch noch neue Reifen an? Was das alles kostet.

Als ich die Kinder abhole, bin ich dünnhäutig. Sie fragen nach einer Bretzel und wann wir nochmal zusammen ins Schwimmbad gehen können. Ich gebe zurück, dass wir erst gestern eine Bretzel hatten und das Schwimmbad viel zu teuer geworden ist. Warum ich gleich so schimpfen müsse, fragen die Kinder zurück. Ich schimpfe nicht, schimpfe ich. Sie müssten das ja auch nicht alles bezahlen, sage ich. Viel zu laut und viel zu hart. Die Kinder schweigen. Wortlos verbringen wir den Rest der Fahrt.

Es gibt Themen, die triggern mich. Finanzen sind so ein Thema. Da wird ein Knopf in mir gedrückt. Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Male mir Schreckensbilder aus, was noch alles passieren könnte und wie schlimm es noch werden wird. Die Sorgen werden immer größer und decken alles andere zu. Das alles hat dann nicht mehr viel mit der Realität zu tun.

Abends sitze ich mit meiner Frau auf der Couch – ich wortkarg, sie gesprächig. Das ist zwar häufiger so. Meine Frau spürt aber, dass ich mir Sorgen machen. Ob ich mal wieder übers Geld nachdenken würde, will sie wissen. Ich nicke. Ob es bisher jemals so gewesen sei, dass wir in der Privatinsolvenz gelandet seien, fragt sie weiter. Ich schüttele den Kopf. Selbst wenn mal etwas gefehlt habe, habe es immer eine Lösung gegeben, erinnert sie mich. Da muss meine Frau wohl recht haben. Die Sorgenwolken werden langsam kleiner.

Die Worte meiner Frau sind wie kleine Lichtstrahlen, die durch die dunklen Sorgenwolken brechen. Ich drehe mich nicht weiter verzweifelt und allein um das Problem. Meine Frau hilft mir raus aus dieser unangenehmen Spirale. Vielleicht bedeuten die aktuellen Ausgaben also doch nicht unseren finanziellen Ruin.

Ein weiterer Lichtstrahl ist ein Bibelvers, der jetzt wieder Platz in meinen Gedanken hat: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ (Psalm 23)

Ja, bisher war das so, gestehe ich mir ein. Es mag mal knapp gewesen sein. Aber es gab immer eine Lösung – ob clever geplant oder unverhofft beschenkt. Wieso sollte das auf einmal nicht mehr gelten?!

Am nächsten Morgen besorge ich den Kindern eine Bretzel und kündige den nächsten Schwimmbadbesuch an. Den Rechnungen widme ich mich später. Ihren Schrecken haben die Euros aber schon fast verloren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37598
weiterlesen...