SWR2 Wort zum Tag

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09MAI2023
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Ralf Knoblauch geht jeden Morgen eine Stunde in seinen Keller. Dort schnitzt er. Normalerweise arbeitet er für die Kirche in einer Gemeinde in Bonn. Aber vor seiner Arbeit schnitzt er jeden Morgen aus Holzblöcken Figuren: es sind Königinnen und Könige. Alle haben was gemeinsam, trotzdem ist jede einzigartig. Alle sind mit schwarz-weißen Gewändern bemalt. Alle haben irgendwo bei sich eine Krone: mal auf dem Kopf, mal in der Hand, mal neben sich auf dem Boden. Alle Figuren lächeln und haben die Augen geschlossen. Einige sind eindeutig als Königin oder als König zu erkennen, andere nur vage. Die kleinen Kunstwerke sitzen, stehen, hocken, liegen, wirken verträumt, gespannt oder zuversichtlich.

Das erste Exemplar hat Ralf Knoblauch im Urlaub geschnitzt. Er ist am Strand spazieren gegangen und dabei ist ihm ein Holzblock in die Finger gekommen. Der hat ihn gleich fasziniert, und es war klar: das ist es, das ist meins. Seitdem hat er unzählige Königinnen und Könige aus dem Block gehauen. Immer in der einen Stunde morgens vor der Arbeit. Das ist seine Zeit.
Und sein Thema ist Würde. Für Ralf Knoblauch geht es bei seinem Handwerk um die Menschen und ihre Würde. Er arbeitet in einem sozialen Brennpunkt und erlebt dort täglich, wie die Würde viel zu oft mit Füßen getreten wird. Umso klarer ist für ihn: jede Person hat Würde und an der gibt es nichts zu rütteln. Jeder Mensch ist ein König, eine Königin. Das will er mit seinen Holzfiguren ausdrücken.

Inzwischen hat sich daraus ein Projekt entwickelt. Viele Menschen oder Gruppierungen nehmen die Figuren mit auf Reisen, zu Tagungen, zu Demos oder z.B. auch zur vergangenen Fußballweltmeisterschaft nach Qatar. Da werden sie dann ausgestellt oder besonders in Szene gesetzt und fotografiert.
Interessant ist, dass alle Königsfiguren die Augen geschlossen haben. Wer die Augen zu hat, ist angreifbar, ist verletzlich, ist auf andere angewiesen. Und die Figuren lächeln. Für Ralf Knoblauch ist klar: „Bei uns Menschen funktioniert es nur gemeinsam. Und die Figuren dürfen nicht noch weiter runterziehen. Wenn man auf so eine Holzfigur trifft, geht man lächelnd aus dieser Begegnung hervor.“

Überall da, wo die Figuren auftauchen, verkörpern sie die Botschaft: jeder Mensch ist ein König, ist eine Königin. Behandelt sie auch so. 

Weitere Infos und Bilder: www.ralfknoblauch.de

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37588
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