Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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04MAI2023
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Meine Freundin Kathrin wohnt seit kurzem auf dem Land, im Schuttertal im Schwarzwald. Und das gefällt ihr, weil die viele Natur um sie herum so beruhigend auf sie wirkt. Als Leiterin einer Kita hat sie viel Verantwortung, ordentlich Zeitdruck und gerät immer wieder in Konflikte.

Kathrin erzählt: „Manchmal weiß ich frühmorgens gar nicht, was ich zuerst erledigen soll.“

Und weiter sagt sie: „Auf meinem Weg zur Arbeit komme ich manchmal an einer Schafherde vorbei. Einmal, als ich frühmorgens wieder total gestresst war, hab ich einfach bei den Schafen angehalten. Mein Kopf hat gebrummt, weil er so voll war mit lauter Gedanken. Eigentlich hätte ich rasch weiterfahren sollen. Aber irgendwas in mir hat bewirkt, dass ich das Auto geparkt habe. Und dann hab ich mich neben der Weide ins Gras gesetzt. Einfach so.“

„Und das hat geholfen?“, frage ich skeptisch.

Kathrin lacht: „Ja. Ich habe einfach den Schafen zugesehen. Wie sie grasen und wiederkäuen, und wie die Lämmer über die Wiese toben und Bocksprünge machen. Mit der Zeit sind mir sogar die verschiedenen Stimmen der einzelnen Schafe aufgefallen und wie sie miteinander Kontakt halten. Das hat mich total geerdet. Die Schafe tun genau das, was für sie gerade wesentlich ist, ohne darüber nachzudenken.“

„Aber du musstest doch eigentlich weiter zur Arbeit“, sage ich. „Wie lange hast du denn da gesessen?“ 

„Vielleicht ein paar Minuten“, meint Kathrin. „Weißt du, je länger ich da gesessen bin, umso ruhiger bin ich geworden. Meine Gedanken an die Arbeit waren noch da, aber sie haben mich nicht mehr so getrieben. Ich war einfach da, wie die Schafe.

Klar hab ich gewusst, dass ich weitermuss. Aber der Moment hat mir geholfen. Das, was mich genervt oder beschäftigt hat, ist da irgendwie zurückgetreten, und ich bin wieder viel offener geworden.“

Ich frage Kathrin: „Und machst du das jetzt öfter?“ 

Sie antwortet: „Ja, ich gönne es mir einfach. Denn diese - na ja, ich sag mal - „Schaf-Momente“ tun mir gut. Weil da manchmal auch Sachen hochkommen können, die unter dem Stress liegen. Schöne Sachen oder Dinge, die ich sonst fast vergesse. Das kann ich alles dann in der Natur draußen Richtung Himmel schicken.“  

Ich habe leider keine Schafherde um mich rum, aber ich verstehe, was Kathrin meint. Zum nächsten Geburtstag kriegt sie von mir ein Schaf. Eins aus Seife oder eins auf einer Postkarte. Denn ich weiß: Schafe sind Kathrins Lieblingstiere geworden. Sie hat mit ihnen gelernt, wie sie aus ihrer Mühle rauskommt, dass sie anhalten kann und ein bisschen Ruhe findet. 

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