SWR1 Begegnungen

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30APR2023
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Bodo Janssen Copyright: Julia Baumgart.

Christopher Hoffmann trifft:den Hotelier Bodo Jannsen.

Bodo Janssen ist Unternehmer und Autor. Sein neuestes Buch heißt: „Von der Angst zur Stärke“*. Beides kennt er aus eigener Erfahrung sehr gut. Denn der 49-Jährige blickt auf eine spannende Biographie: 1998 wird der Millionärssohn, dessen Eltern eine Hotelkette besitzen, als Geisel genommen. Sieben Tage wird er in einem Hochhaus gefangen gehalten, bis ein mobiles Einsatzkommando den damals 24-Jährigen aus den Fängen der Erpresser retten kann:

Ich hatte während der Scheinhinrichtungen ganz viel Angst. Panik! Ich habe das körperlich gespürt, ich war teilweise gar nicht bei Sinnen. Ich sollte die Entführung ja nicht überleben. In dem Moment als solches ist natürlich für mich noch gar nicht absehbar gewesen, ob und wie es weitergeht .   


Es geht weiter- und wie! Bodo Janssen lebt damals auf der Überholspur: Er führt ein Jet-Set Leben als Model, arbeitet hart und feiert noch härter in Hamburger Bars. Ein Leben voller Extreme auf der Suche nach Bestätigung:

Ich war als Fotomodell unterwegs, ich war selbstständig mit der ersten mobilen Cocktailbar Hamburgs und es kam nicht selten vor, dass ich am Tag vielleicht zwei, drei Stunden geschlafen habe. Und das war schon ein Suhlen in den Blicken der Menschen um mich herum. Diese Rampensau, die war ich gerne und das fiel mir auch sehr leicht und wenn ich im Nachhinein über die Motive nachdenke, dann wird es wahrscheinlich etwas gewesen sein, womit ich auch immer wieder in meinem Leben konfrontiert wurde: Mit dem Bedürfnis nach Anerkennung.                             

2007 stirbt sein Vater bei einem Flugzeugabsturz. Der 33-Jährige übernimmt als Chef die elterliche Hotelkette. Er sagt heute: Ich habe mich narzisstisch verhalten. In der Folge kündigen immer mehr Menschen in seinem Unternehmen. Bodo Janssen versteht damals die Welt nicht mehr und will wissen wieso. Er startet eine Mitarbeiterbefragung:

Als die Mitarbeiter mir dann gesagt haben: Hey, wir brauchen einen anderen Chef als Bodo Janssen, da hat sich plötzlich dieses Ego, dieses Selbstbild in Luft aufgelöst.  Ich hatte das Ego von der Größe einer Turnhalle und anschließend schrumpfte es auf die Größe einer Erbse. 

Der Partylöwe vom Hamburger Kiez geht ab sofort immer wieder ins Kloster. Und findet in einem Kurs für Manager von Benediktinerpater Anselm Grün zu sich selbst. Der Mönch sagt ihm: „Wer andere führen will, muss zuerst sich selbst führen.“  Bodo beginnt in die Stille zu gehen und über sich nachzudenken. Und er beginnt im Kloster die Regel des Heiligen Benedikt und die Bibel zu lesen und sich darüber mit den Mönchen auszutauschen:

In dem Moment standen diese beiden Bücher für mich in einem ganz neuen Licht: Von einer völlig mir unverständlichen Ansammlung von Geschichten, in einer Sprache, die ich nicht verstehe, zu Büchern, die mich plötzlich neugierig gemacht haben.  Sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, was denn damit gemeint ist: mit den Gleichnissen, mit den Metaphern, mit Blick auf das, wer wir wirklich sind und wie Gott uns gemeint hat.

Ich treffe den Hotelier und Buchautor Bodo Janssen im Benediktinerkloster Maria Laach, wo er eine Lesung gibt. Klöster sind ihm vertraut, hier hat er zu sich selbst gefunden. Während seiner Klosteraufenthalte stellt sich der ehemals auf Zahlen und Gewinnmaximierung fixierte Unternehmer ganz zentrale Fragen:                                                               

Dient die Wirtschaft dem Menschen oder der Mensch der Wirtschaft? Und du entscheidest für dich-Nein, die Wirtschaft dient dem Menschen: dann muss ich das konsequent zu Ende denken! Wie geht Führung, die die Menschen abends aufrechter nach Hause gehen lässt, als sie morgens gekommen sind? Wie geht Organisation, die Menschen stärkt? Wie geht Kommunikation, die Menschen stärkt? Deine Sprache verrät dich. Und damit war die Lebensaufgabe geklärt -nämlich Antworten auf genau diese Fragen zu finden.

Eine spirituelle Antwort findet der Hotelier im christlichen Menschenbild: Wer in seinen Häusern übernachtet, ist für ihn fortan nicht mehr nur zahlender Gast, sondern Geschöpf Gottes:

Dann bekommt die Beziehung eine ganz andere Qualität: dann ist es nicht nur der Kunde, sondern dann liegt die Qualität in der Begegnung, die uns als Menschen dabei hilft, mehr zu werden, wie Gott uns gemeint hat. Also wirklich: Christus im Bruder begegnen und den Menschen zu durchschauen: ihn mehr zu lieben für das wer er ist, als für das was er darstellt und was er hat.  Das was wir sind ist das, was uns miteinander verbindet. Das was wir haben ist häufig das, was uns voneinander trennt. 

Erkenntnisse eines Mannes, der viel Wert auf Selbstdarstellung und seine Millionen auf dem Konto gelegt hat. Bis er Wertvolleres fand. Heute ist Bodo Janssen dreifacher Familienvater – um vier Uhr in der Frühe, wenn zu Hause alle anderen noch schlafen, steht er deshalb jeden Morgen auf, um in der Stille und beim Lesen der Bibel oder der Benediktsregel inspiriert zu werden:               

Ich glaube ganz einfach, dass wir in der Stille die Stimme Gottes hören. Das Hören ist auch das erste Wort in der Regel, das In-sich hinein hören –und die Stimme Gottes hören.

Wenn Bodo Janssen von Gott spricht, dann ist ihm wichtig, dass Gott nicht für irgendwas verzweckt werden darf. Er nennt ihn deshalb auch: „Das große Geheimnis“.

Und ich glaube das ist gut, dass das auch das große Geheimnis ist und bleibt. Das Leben ist ja nicht dazu da um es zu verstehen, sondern es ist da, um es zu leben. 

Versöhnung zu leben, auch das ist Bodo Janssen heute wichtig. Er vergibt sogar seinem ehemaligen Entführer, als der ihn 2016 darum bittet:                                                  

Ich habe mir versucht vorzustellen, wie sich das für diesen Menschen anfühlen muss, dass ich ihm eine Last nehmen durfte, die er 18 Jahre lang getragen hat.

Eine heftige Erfahrung, die Bodo Janssen immer noch bewegt. Dass es ihm gelungen ist, seinem Entführer zu vergeben, das hat dem freiheitsliebenden Ostfriesen auch wieder ein Stück innere Freiheit zurückgegeben. 

 

*Bodo Janssen: Von der Angst zur Stärke, Bene! Verlag, München 2023.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37578
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