SWR2 Wort zum Tag

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05MAI2023
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Gott tanzt. Und lädt uns ein, mit ihm mitzutanzen. Das hat nicht irgendein atemloser Student am Ende einer durchfeierten Nacht gesagt. Sondern einer der berühmtesten Mönche der Antike: Johannes von Damaskus. Heute ist sein Geburtstag, ein guter Tag, sich an ihn zu erinnern. Und an seine grundlegende Einsicht: dass Gott tanzt.

Johannes wurde im Jahr 650 in eine einflussreiche christliche Familie hineingeboren. Später ist er in das Kloster Mar Sabbah bei Jerusalem eingetreten und hat wichtige Texte geschrieben. Er hat dabei so von Ideen gesprudelt, dass er den Beinamen „goldener Strom“ erhalten hat.

Eine der eindrücklichsten Ideen von ihm lautet, dass Gott tanzt. Und zwar mit sich selbst. Denn Gott, das sind im christlichen Glauben drei Personen: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Viele Jahrhunderte lang hat Theologen die Frage beschäftigt, wie das Verhältnis zwischen diesen drei göttlichen Personen aussieht. Was verbindet sie, was trennt sie? Johannes hatte dazu eine geniale Idee. Er sagt: Die drei sitzen nicht unbeweglich und jeweils für sich auf einem Thron nebeneinander im Himmel. Vielmehr sind Vater, Sohn und Heiliger Geist aufs engste miteinander verbunden. Und sie sind ständig in Bewegung. Johannes nutzt dafür ein griechisches Wort: peri-chorese. Peri, das heißt: um-herum, oder auch: miteinander. Und Choreo heißt: sich bewegen. So wie Tänzer sich im Ballett in einer Choreographie bewegen. – So also ist Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist sind wie Tänzer, die aufs engste verbunden sind und sich miteinander bewegen. Quasi Stehblues tanzen: Ganz eng und doch in Bewegung. – Im Zentrum des Universums steht der Tanz. Gott tanzt. Gott ist der Tanz zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist.

Mich fasziniert dieser Gedanke. Denn wenn es stimmt, was Johannes von Damaskus sagt - dann ist auch die Grundbewegung meines Lebens nicht das Gehen. Oder das Arbeiten. Nein, die Grundbewegung meines Lebens ist der Tanz. Und dabei ist es ganz egal, ob ich die Schrittfolgen beim Walzer oder beim Tango beherrsche. Es ist egal, ob ich erst neulich einen Tanzkurs gemacht habe oder ob ich mich auf den Festen einfach dem Rhythmus der Musik anvertraue und drauf los groove – Der Tanz als Grundbewegung des Lebens: Die enge Beziehung zu anderen Menschen. Die Bewegung und der Schwung. Die gemeinsamen Schritte, die man geht. Und die ständige Veränderung.  –Wo werde ich heute in die Grundbewegung Gottes eintreten und mit einem anderen Menschen einen kleinen Tanz wagen? Darf ich bitten?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37540
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