SWR1 Begegnungen

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16APR2023
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Bernhard Medla Foto: Manuela Pfann

Mit Bäckermeister Bernhard Medla möchte ich über seine Leidenschaft sprechen, das Backen. Und natürlich über das Brot und die Gemeinschaft. Denn diese beiden Dinge stehen heute im Mittelpunkt in vielen katholischen Kirchengemeinden. Heute ist der sogenannte Weiße Sonntag. Es ist der Tag, an dem die Kommunionkinder zum ersten Mal die Hostie empfangen, das heilige Brot. Anlass also, einen katholischen Bäckermeister zu fragen, was Brot für ihn bedeutet.
Ich treffe Bernhard Medla in seiner Backstube in Nürtingen. Es ist später Vormittag, alles ist still, die Öfen sind aus. Sein Tagwerk ist heute schon geschafft. Er sagt: Hier sind wir in den heiligen Hallen. Und ich spüre sofort: trotz aller Anstrengung, jeden Tag hier zu stehen, das ist für ihn noch immer der Traum:

Den habe ich schon im Kindergarten gehabt. Weil mein Großvater ist ja Bäckermeister und hat auch ein Geschäft gehabt hat und das hat mir so gefallen. Und da habe ich gesagt: Also das ist mein Beruf.

Er ging als kleiner Junge sogar zu Fasching als Bäcker verkleidet, mit einer Brezel um den Hals.

Und dann hat meine Kindergärtnerin, die hat gemeint, sie muss da reinbeißen. Da war ich dann stinksauer! Ja, das war so ne Geschichte und den Traum habe ich dann verfolgt.

Die Bedingungen für einen kleinen Familienbetrieb sind heute allerdings nicht mehr so traumhaft. Bernhard Medla führt die Bäckerei jetzt seit ziemlich genau 30 Jahren, zusammen mit seiner Frau. Und er erzählt mir, dass sie sich zunehmend Sorgen machen. Immer mehr kleine Bäckereien um sie herum schließen; auch sie kämpfen. Mit hohen Rohstoffpreise und Energiekosten. Wie es weiter gehen soll, da ist man bei den Medlas zuhause am Familientisch nicht immer einer Meinung:

Mein Sohn sagte immer: Vater, die Kleinen werden sterben. Es gibt nachher noch sieben große Bäckereien. Da habe ich gesagt: Ja, kann möglich sein, aber dadurch wird die Vielfalt sterben und auch die Qualität wird vielleicht sterben und die Auswahl wird sterben.

Das möchte Bernhard Medla nicht einfach so hinnehmen. Denn vor allem das Brot ist für ihn ein Lebensmittel, das nicht einfach nur satt macht:

Ein gutes Brot, das macht doch was! Gutes Brot ist für mich ein Stück Lebensqualität, es ist nahrhaft und hat Geschmack; und da ist ein gewisser Stolz bei mir dann, dass ein gutes Brot gelingt. Und wenn das Brot mal nichts wird, dann ärgert mich das auch.

Seine Frau hat vor einiger Zeit eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin gemacht – den beiden geht es darum, dass sie den Leuten sagen können, was gut und gesund ist. Auch deshalb kauft Bernhard Medla, wo immer es möglich ist, seine Zutaten in der Region.

Nur so kann der Kreislauf weiterleben, wenn hier vor Ort auch welche leben können. Nur so kann der Bäcker, der Müller, auch der Landwirt leben.

Bernhard Medla ist Bäckermeister und hat zusammen mit seiner Frau seit 30 Jahren eine kleine Handwerksbäckerei. Brot ist für ihn nicht nur ein besonderes und wichtiges Lebensmittel. Es ist eines mit großer Symbolkraft. Für Christinnen und Christen etwa steht das Brot auch im Mittelpunkt des Abendmahls, der Eucharistie. Dem Katholiken Bernhard Medla ist die Eucharistie wichtig, gemeinsam das Brot im Gottesdienst teilen. Aber es geht was verloren, sagt er, wenn immer weniger Menschen daran teilnehmen.

Jesus sagt: Man lebt nicht nur vom Brot allein. Aber das Wichtige ist die Gemeinschaft. Die Mahlgemeinschaft ist nur dann schön, wenn auch viele da sind und es wirklich feierlich ist. Dann ist es schön, weil wenn sie nur zu zweit da drüben hocken und das ist nicht das, was sich der Jesus auch vorgestellt hat, glaub ich.

Da drüben hocken, das meint er wörtlich, denn seine Kirche ist nur ein paar Meter weiter hinter der nächsten Straßenecke. Dort ist er seit vielen Jahrzehnten zuhause. Er kennt die Leute in der Gemeinde, immer wieder sind auch Erstkommunionkinder zu Gast in seiner Backstube. Er hat jetzt die Osterlämmer für die Gemeinde gebacken und jedes Jahr ist er verantwortlich für das Brot zum Erntedankgottesdienst, das macht er für beide Kirchen in der Stadt, für die evangelische und die katholische.

Ich back da gerne, weil die Leute müssen wieder mehr denken, wo das eigentlich herkommt und wo es wächst. Entweder schreibe ich „Erntedank“ oder „Unser täglich Brot“ drauf.

Unser tägliches Brot gib uns heute. Diese Bitte steht im Vaterunser und ist eine Bitte um Wesentliches. Denn: Brot zur Zeit Jesu, das war mehr als nur ein Lebensmittel unter vielen, es war das Grundnahrungsmittel.
Weil ihm das wichtig ist, das zusammensitzen, hat Bernhard Medla vor gut zwei Jahren ein kleines Café neben der Bäckerei aufgemacht. Mit gemütlichem Sessel am Kaminofen. Die Leute sollen runterkommen von der Hektik. So wünscht er sich das. Und einmal in der Woche, wenn das Café schon geschlossen hat, dann kommt da eine ganz besondere Gemeinschaft zusammen. Ich höre zum ersten Mal von einem Bäcker-Chor. 12 Sänger sind noch dabei, alles Männer. Mit seinen knapp 60 Jahren ist Bernhard Medla der Jüngste.

Früher haben wir noch Auftritte gehabt, aber jetzt sind wir so wenige. Und so alt sind die Kameraden, dass wir nur noch für uns singen. Das hebt die Seele. Und solange wir singen können, kommen wir zusammen. Und das fördert die geistige Vitalität.

Wenn er an seinen Bäckerchor denkt, dann wird Bernhard Medla aber gleichzeitig ein bisschen wehmütig. Denn da verschwindet gerade eine ganze Bäcker-Generation.

Die haben noch richtig Herzblut, diese Jungs, die jetzt schon 80, 90 sind, die haben das ja so wie ich aufgebaut. Aber sie sind jetzt froh, Gott froh, dass sie alle keine Bäckerei mehr haben. Sie sind froh, dass es vorbei ist.

Was irgendwie auch sehr schade ist. Wie es mit seiner eigenen Bäckerei weitergeht, das kann er momentan nicht sagen. Noch funktioniert es. Auch, weil Bernhard Medla dem Fachkräftemangel mit großer Offenheit begegnet. Sein kleines Team ist bunt zusammengesetzt, zwei Helfer in der Backstube kommen aus Syrien, ein Auszubildender aus Afrika. Weil Brot backen für ihn nichts mit Nationalität zu tun hat. Im Gegenteil: Brot verbindet die Menschen. In seiner Backstube und überall auf der Welt.

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