SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

28APR2023
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Kim Howard ist Künstlerin. Sie hat lange in Hamburg gearbeitet. Dort hat sie Geld verdient, indem sie Särge bemalt hat. Inzwischen ist Kim Howard ausgewandert, aber ein Mal im Jahr kommt sie zurück, um ihrem ausgefallenen Beruf weiter nachzugehen. Erstaunlich, vor allem wenn man bedenkt, dass ihre Kunstwerke immer unter der Erde oder im Krematorium landen.

Kim macht das nichts aus. Für sie steht das Arbeiten im Vordergrund, die Zeitspanne, in der das Kunstwerk entsteht. Und dass sie sich mit den trauernden Angehörigen austauscht – das motiviert sie.

Kim lässt die Angehörigen auch gerne selbst zum Pinsel greifen. Für viele ist das wohltuend, weil sie sich um so vieles kümmern müssen, dass kaum Zeit zum Nachdenken bleibt. Kim sagt: „Viele Verwandte fühlen sich erleichtert, wenn wir gemeinsam den Sarg gestalten. Und für mich ist es ein schönes Gefühl, ihnen dabei zu helfen.“ Die Hinterbliebenen bekommen ein anderes Verhältnis zum Sarg. Sie bauen Distanz ab, fassen ihn an, arbeiten mit ihm. Und manche entdecken nach der Arbeit Farbspuren an ihren Händen, das ist wie eine kleine Erinnerung.

Christian Hillermann ist Bestatter und arbeitet mit Kim zusammen. Er sagt: „Wenn jemand stirbt sind die Betroffenen oft in einer Ausnahmesituation. Da ist es gut, wenn Energie raus darf. Das geht, indem man weint und klagt, aber auch wenn man kreativ tätig wird.“

Die Motive, die gemalt werden, sind ganz unterschiedlich. Manchmal kommt einfach nur die Lieblingsfarbe des Verstorbenen auf den Sarg oder die Namen der Hinterbliebenen. Für einen begeisterten Schwimmer hat Kim den Sarg mit Wassermotiven verziert. Einer Trauernden war das Bild in der Küche ihrer Mutter besonders wichtig. Eine Kopie davon hat Kim auf den Sarg gemalt. Kim sagt: „Am Anfang steht immer die Frage: Was verbindet mich mit dem toten Menschen?“ Allein diese Frage kann schon so heilsam sein.

Ich finde es gut, den Abschied so intensiv wie möglich zu gestalten: kreativ sein, erzählen, erinnern. So kann es besser gelingen, den Verlust zu verarbeiten. Mich tröstet auch die Hoffnung, dass mich mit den Toten noch mehr verbindet als nur das Fotoalbum oder schöne Erinnerungen. Manchmal spüre ich ganz deutlich, dass sie da sind, und dass ich sie wiedersehen werde. Und dieser Gedanke hat für mich eine Leichtigkeit. Ein bisschen wie die bunten Särge von Kim Howard.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37466
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