SWR1 3vor8

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23APR2023
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Immer wieder berichten Menschen aus der ganzen Welt, dass ihnen Jesus erschienen sei, also dass sie das Gesicht von Jesus gesehen haben. Sein Antlitz taucht an den skurrilsten Stellen auf: An der beschlagenen Scheibe eines LKWs, an einem Zaunpfosten im Abendlicht, in einem Ölfleck vor einer Garageneinfahrt oder sogar auf einem Fischstäbchen. Der Rolls-Royce unter den Heiligenbildern ist ein Käsesandwich, auf dem beim Toasten das Gesicht Marias erschienen ist. Es wurde für 26.000 Euro bei Ebay versteigert.

Das Phänomen mit den Erscheinungen ist nicht neu. Aber lange Zeit hatte es sich auf Tücher beschränkt, wie z.B. das Turiner Grabtuch, oder vergleichbare Tücher aus Oviedo und Manoppello. Aber auch bei diesen Abbildungen bleiben große Zweifel, ob sie wirklich das  Gesicht von Jesus zeigen.

Wenig Zweifel besteht bei den Erscheinungen Jesu, von denen die Bibel berichtet. Insgesamt taucht er zehn Mal auf nachdem er auferstanden ist: er erscheint den Frauen am Grab, Maria Magdalena, seinen Jüngern in unterschiedlichen Konstellationen und auch dem später in die Jüngerschar aufgenommenen Paulus. Interessant ist, dass ihn alle nicht auf den ersten Blick erkennen, sondern erst später an dem was er sagt oder tut. Oft wird er an der Art erkannt, wie er das Brot segnet und austeilt.

Und was fangen wir heute mit diesen Erzählungen an? Heute, wo Jesus schon lange nicht mehr persönlich auftaucht, wo nur noch billige Abbilder von ihm erscheinen – und das auch noch mit dem Beigeschmack, dass da jemand nur die Sensation sucht oder das schnelle Geld?

Vielleicht taucht Jesus ja doch öfter auf, als ich denke. Wenn die Menschen in der Bibel ihn an seiner Art und nicht an seinem Aussehen erkannt haben, dann spricht das doch eher dagegen, dass er als Abbild auf Sandwiches oder Zaunpfosten erscheint. Eher dafür, dass ich ihn auch heute noch an seiner ganz speziellen Art erkennen könnte: Jemand, der mich genau zum richtigen Zeitpunkt aufmuntert. Oder meine Frau, die mich auf eine Marotte aufmerksam macht, die ich ohne sie gar nicht entdeckt hätte. Ein Fahrgast, der für mich die Zugtür blockiert, so dass ich gerade noch reinspringen kann. Eine Frau, die meine kranke Mutter besucht, weil ich einfach zu weit weg bin. Eine Partnerin, die bedingungslos hinter mir steht, ein Kind, das mich zum Lachen bringt, ein Freund, der genau die richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt findet.

Klar, alles nicht der echte Jesus, aber vielleicht auch Erscheinungen von ihm. Auf jeden Fall alles Menschen, durch die ich erlebe, dass das Leben auf Jesusart viel viel lebenswerter ist.

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