SWR4 Feiertagsgedanken

SWR4 Feiertagsgedanken

10APR2023
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Ich mache mich gerne mal auf den Weg. Vor allem, wenn ich nicht weiterkomme mit etwas. Eine Entscheidung treffen muss. Mir eine Begegnung, ein Wort, ein anderer Mensch durch den Kopf geht. Wenn ich traurig bin. Dann schwinge ich mich aufs Fahrrad. Gehe eine Runde spazieren. Da lösen sich manche Gedankenknoten. Ist auch wissenschaftlich erwiesen. Bewegung sorgt für einen fitten Körper und ein fittes Gehirn. So können sich Schritt für Schritt Probleme lösen. Lassen sich Blockaden überwinden. Kann ich klarer sehen, was ich als Nächstes tun will.

Der Ostermontag ist ein guter Tag, um sich auf den Weg zu machen. Viele tun das, weil sie spüren: Ein paar Schritte, die wirken Wunder. Als Verdauungsspaziergang. Aber auch, weil im Gehen vieles leichter fällt. Wir treffen uns zum Beispiel alle bei meinem Schwiegervater, frühstücken ausgiebig und gehen dann los. Auf so einem Spaziergang kann ich mal mit dem, mal mit der reden, mal nur auf den Weg achten, dann wieder fragen: Wie geht’s? und: Was machst du? Ganz zwanglos. Schritt für Schritt.

Für mich hat so ein Auf-dem-Weg-sein viel mit meinem Glauben zu tun. Im Grunde genommen ist der christliche Glaube ein Wegglaube. Das knüpft an jüdische Wurzeln an. Gott, so erzählen es die Schöpfungsgeschichten, macht die Welt und alles was ist – und schon geht’s los. Adam und Eva verlassen das Paradies, Noah baut sich ein Schiff und fährt der Flut davon, Abraham wandert mit seinem Sohn zu einem heiligen Berg, die Juden fliehen aus Ägypten und ziehen jahrelang durch die Wüste. Alles Geschichten vom Aufbruch, vom Weg, vom Unterwegs-Sein. Und in den Jesus-Geschichten ist das nicht anders. Jesus ist ein Wanderprediger, ist mal hier, mal dort, geht auf einen Berg, fährt mit dem Schiff, wandert schließlich nach Jerusalem.

Und auch Ostern erzählt vom Weg. Von einem Menschen, der den Weg vom Tod ins Leben findet. Von einem Menschen, der andere bewegt. Der sie zum Aufbrechen bringt. Da wandern zwei der Freunde Jesu nach Emmaus. Und auf ihrem Weg verändert sich etwas. Finden sie neues Leben.

Der Osterglaube erzählt davon, dass sich auf dem Weg was tut. Dass Menschen da das Leben spüren, Schritt für Schritt. Auferstehung erfahren, ganz praktisch.

Weitergehen

Von Aufbruch und Auf-dem-Weg-Sein erzählt eine biblische Geschichte. Sie handelt von zwei Männern. Jesus hatte sie fasziniert. Hat den richtigen Ton getroffen. Seine Botschaft vom Leben hat sie angezogen. Seine Botschaft, dass jeder Mensch wichtig ist und geliebt wird. Ganz egal, wer man ist, was man kann, wen man liebt, was man besitzt.

Aber jetzt ist dieser Jesu tot. Mit ihm wurde kurzer Prozess gemacht. Sein Leben ausgelöscht. Die beiden Männer machen sich auf. Traurig und enttäuscht. Gehen in ihr Heimatdorf zurück: Emmaus heißt es.

Ich stelle mir vor, dass das alles andere als leicht ist. Was sagen die Leute, wenn sie mit leeren Händen zurückkommen? Wenn sie zugeben müssen, dass sie sich getäuscht haben? Dass ihre Hoffnungen gescheitert sind?

Aber dann passiert etwas. Auf dem Weg. Sie bekommen Gesellschaft. Jemand geht mit ihnen, der sie versteht. Der ihnen den Weg leicht werden lässt. Die beiden Männer reden sich alles von der Seele. Ihre Trauer, dass ein geliebter Mensch getötet wurde. Ihre Enttäuschung, dass sich die Welt nicht verändert hat. Ihre Sorge um eine ungewisse Zukunft.

Der Mann, der sich zu ihnen gesellt, der hat eine seltene Gabe. Er kann zuhören. Stellt Fragen, die das Denken in Gang bringen – in andere Richtungen lenken. So wie jeder einzelne Schritt auf einem Weg neuen Boden unter den Füßen spüren lässt, so entdecken die beiden plötzlich andere Seiten an ihren Erfahrungen. Sie können ihr Leben neu deuten.

Die beiden Männer erleben eine kleine Auferstehung. In ihr erstarrtes Leben kommt wieder Bewegung. Auf dem Weg brechen sie aus ihrer Trauer, ihrer Enttäuschung aus.

Die Geschichte der beiden Männer auf ihrem Weg nach Emmaus ist also selbst eine Auferstehungsgeschichte. Sie macht klar, dass Menschen, die sich aufmachen, neue Perspektiven gewinnen können. Dass sie ihr Leben, ihre Träume und Wünsche, ja sogar ihre Trauer und den Tod anders und neu deuten können. Auf dem Weg finden sie neue Einsichten. Sie gehen in eine neue Zukunft. Einen neuen Morgen, einen neuen Tag. Auf dem Weg, da erschließt sich ihnen: Der Tod ist nicht endgültig, das Leben geht weiter.

 

Zum Evangelium am Ostermontag

Lk 24,13-35

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37443
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