SWR1 Begegnungen

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10APR2023
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Prof.'in Dr. Claudia Janssen Foto: Sandra Schildwächter

Martina Steinbrecher trifft Prof. Dr. Claudia Janssen, Professorin für Neues Testament und Theologische Geschlechterforschung an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, und spricht mit ihr über die Realität von Auferstehung.

„Christus ist auferstanden!“, ruft die Pfarrerin im Ostergottesdienst, und laut schallt es aus der Gemeinde zurück: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Das Ganze wiederholt sich, wie zur Bekräftigung, drei Mal hintereinander. Es könnte aber auch ganz anders kommen. Die Pfarrerin ruft: „Christus ist auferstanden!“ Und leise fragen einzelne zurück: „Ist er denn wirklich auferstanden?“ Es ist die österliche Gretchenfrage. Ich habe sie Claudia Janssen gestellt. Sie ist Professorin für Neues Testament und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Auferstehung. So kompliziert ist es erst einmal gar nicht, meint sie mit einem Verweis auf die griechische Sprache:   

Ob ich vom Stuhl aufstehe oder aus dem Tod, das ist dasselbe Wort, ob ich morgens geweckt werde aus dem Schlaf oder aus dem Tod aufgeweckt werde, das wird mit demselben Begriff beschrieben.

An konkrete Erfahrungen anzuknüpfen, ist ihr wichtig. So kann es gelingen, die Frage nach der Auferstehung an der eigenen Lebenswirklichkeit anzudocken:  

Ich habe versucht, sozusagen wegzukommen von Formeln oder Gewissheiten, sondern Verben zu suchen, die sinnliche Erfahrbarkeit ausdrücken, wie erinnern oder schmecken, suchen, heilen.

Ist man erst einmal auf diese Spur gesetzt, so findet man in der Bibel im Alten wie im Neuen Testament viele Geschichten, die in unterschiedlichen Bildern und Begriffen von Auferstehung erzählen:

Menschen, die in biblischer Sprache vom Aufstehen sprechen, die wissen, wir sprechen von einer Wirklichkeit, die ist mit objektiven Fakten nicht zu erreichen. Aber eine Wirklichkeit, die dennoch wahr ist, vielleicht sogar wirklicher als die Wirklichkeit, die von Gewalt und Zerstörung geprägt ist. Die Psalmen haben unglaublich viele schöne poetische Bilder: Ich werde aus dem Rachen des Todes gerissen, oder Gott hat mich gerettet aus dem Tiefsten der Erde.

Und das gilt dann schließlich auch für den Höhepunkt der biblischen Rede von Auferstehungserfahrungen, nämlich den Berichten von der Auferstehung Jesu von den Toten:

Es geht nicht um eine Totenauferweckung im historischen Sinn, sondern eine Bildsprache, eine Erzählung, was es heißt, dass dieser von den Römern mit brutaler Gewalt gefolterte, gekreuzigte Mensch, dass der nicht im Tod geblieben ist, sondern dass diese Kraft Gottes stärker ist als alle Ungerechtigkeit der Welt. Das ist die Wurzel!

Die Neutestamentlerin Claudia Janssen kann sehr anschaulich von Auferstehung erzählen. Sie kennt eine Menge biblischer Geschichten, in denen in völlig verzweifelten oder scheinbar ausweglosen Situationen unverhofft eine Kraft ins Spiel kommt, die sich widersetzt. Aber es blitzt nicht nur das Leben auf im Tod, oft ist es umgekehrt:

Das ist ganz wichtig für die biblische Bildsprache, dass der Tod auch im Leben zu erfahren ist. Dass er Macht hat, ja fast so etwas wie eine Gegenmacht zu Gott ist.

Solche „Todeserfahrungen mitten im Leben“ sind immer wieder mit Händen zu greifen:   

Da ist wie eine dämonische Macht, die mich in ihren Klauen hält und das kann der Tod sein. Das kann auch eine Krankheit sein. Oder so etwas wie Globalisierung. Das ist ja eine überpersonale Macht, und ich habe das Gefühl, ich bin so klein und ohnmächtig, und ich kann mich dem nicht wehren.

Es geht also um Macht. Es geht um die Frage, wer im Leben und auch am Ende den Kürzeren zieht: Die destruktiven, zerstörerischen Todesmächte, die mich radikal infrage stellen, mich meinen Ängsten ausliefern, mir mein Leben aus der Hand nehmen möchten. Oder alle Kräfte, die sich dagegen mobilisieren lassen. Da reicht dann manchmal schon …

… ein Moment, ein nur kleiner Augenblick inmitten vielleicht von Gewalt und Krieg. Und diese Erfahrung gibt die Kraft, dem zu widerstehen; auch der Ohnmacht, die kommt, etwas entgegensetzen zu können, wieder ins Handeln zu kommen, ja die Schönheit auch in der Gewalt zu sehen. Dass das gelingt, nennt die Bibel Aufstehen, Auferstehung.

Solche Erfahrungen führen dann auch weg von einem rein individualistischen Begriff von Auferstehung. Nur Du und ich und Jesus. Nein, sagt Claudia Janssen:

Auferstehung findet immer im Plural statt. Es geht immer um Menschen, die auch gemeinsam etwas für diese Veränderung des Lebens tun wollen. Es ist nicht egal, was ich tue, auch angesichts dieser ganzen Klimakatastrophe. Die könnte ich auch nennen wie so eine Todesmacht, die uns überrollt. Und dann muss ich sagen, o ich kann nichts tun als Einzelne! Natürlich ist es nicht egal, was ich tue. Und an dem Ort, im Kleinen und Großen ist es meine Kraft, an diesem großen Lebensprojekt der Schöpfung mitzuarbeiten.

Am Ende will ich es doch noch einmal wissen. Ist Jesus nun von den Toten auferstanden oder nicht? Gibt es diese göttliche Kraft, die stärker ist als der Tod? Werde ich sie am eigenen Leib erfahren? Ich wünschte, Claudia Janssen hätte all diese Fragen mit einem schlichten ja beantwortet. Ihre Antwort fällt ein wenig anders aus. Und ist doch eine Osterbotschaft, mit der ich gut leben (und hoffentlich eines Tages auch gut sterben) kann:

Für mich ist Auferstehung ein Vertrauenswort, dass das Leben stärker ist als der Tod.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37439
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