Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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11APR2023
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Ostern entwaffnet. Das ist ein kleines, feines Detail der Ostergeschichten in der Bibel. Da steht nicht nur etwas von Engel, leerem Grab, Licht und überraschten Jüngerinnen und Jüngern Jesu. Da wird auch erzählt, dass die bewaffneten Wächter des Grabes Angst bekommen und ohnmächtig umfallen. Ostern, der Aufstand des Lebens: das haut sie schlicht um. Gerade die Leute mit den Waffen stehen an Ostern auf verlorenem Posten.
Ostern entwaffnet.
Das ist naiv, könnte man sagen. An vielen Orten der Welt sind Waffen im Einsatz. Auch an Ostern. Und im kleinen - in unsren Familien oder in der Nachbarschaft – da gehen Menschen womöglich mit Worten aufeinander los.

Seit ich vor ein paar Jahren auf einer Reise durch Nordirland war, beschäftigt mich, wie Versöhnung gehen kann. Nordirland ist im 20. Jahrhundert über viele Jahrzehnte ein Ort der Gewalt gewesen. Zwei Gruppierungen sind einander unversöhnlich gegenübergestanden. Unzählige Menschen sind bei Terror-Anschlägen oder durch Gewalt der britischen Armee gestorben. Aber auch die ganz normalen Leute auf der Straße haben sich angefeindet. Und sogar auf Kinder auf dem Weg zur Schule sind Steine geworfen worden, einfach weil sie zur „anderen Seite“ gehört haben. Erst 1998 ist das Karfreitags-Abkommen unterschrieben worden, mit klaren Absprachen, wie Frieden geschlossen und künftig eingehalten werden sollte.

Wenige Jahre vor dem Abkommen hat ein Künstler in der nordirischen Stadt Derry eine Skulptur geschaffen: 2 Menschen, ganz normale Leute, die aufeinander zugehen. Sie schauen einander an und strecken dem andern aus etwas Entfernung einen Arm entgegen. Vorsichtig und entschieden zugleich. Wir gehen aufeinander zu. Wir suchen Frieden. Wir schauen, ob es nicht anders weitergehen kann als bisher.

Von Umarmung ist keine Rede. Und beim genauen Hinsehen habe ich gemerkt: die Hände der beiden berühren sich nicht. Der Künstler hat dazu gesagt, dass er zuerst einen Handschlag im Sinn hatte, aber dann hat er sich überlegt: So weit sind wir noch nicht. Nicht nach allem, was geschehen ist. Aber aufeinander zugehen, das geht. Und das muss auch sein. Dafür ist es höchste Zeit.
Sucht Frieden. Schritt für Schritt, jeden Tag. Im Großen wie im Kleinen. Auch das ist eine Botschaft von Ostern. 

Skulptur „Hands across the Divide” von Maurice Harron

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37426
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