SWR1 3vor8

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02APR2023
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„Dem laufen gerade alle nach!“ So ist es sinngemäß über Jesus in der Bibel zu lesen. Ein frustrierter Seufzer von den Pharisäern und Schriftgelehrten, also von den richtig wichtigen Leuten in Jerusalem damals. Sie mussten zusehen, wie ihr „Konkurrent“ auf einem Esel nach Jerusalem geritten kam – und eine riesige Menschenmenge Jesus empfangen hat wie einen König.

Neulich bin ich in einer Kirche vor dem Alltagkreuz gestanden und habe an diese Geschichte aus der Bibel gedacht: Nicht mehr den mächtigen und reichen Leuten – nein – DIR sind alle nachgelaufen. Überall an den Straßen haben die Menschen mit Palmzweigen gewunken und ihre Kleider wie einen Teppich auf deinem Weg ausgebreitet und gerufen: „Hosianna! Hier kommt unser neuer König! Endlich kommt da einer, der alles in Ordnung bringen wird – in der Politik, bei den viel zu hohen Steuern und überhaupt... Alle unsere Wünsche werden endlich wahr!“ „Alle sind sie dir nachgelaufen“, habe ich gedacht. Und dann habe ich mich in der leeren Kirche umgedreht und fast lachen müssen: „Heute anscheinend nicht mehr.“

Ich war in die Kirche reingegangen, um dem Trubel in der Outlet-City von Metzingen zu entgehen. Die Stadt ist sogar international bekannt dafür, dass man billig einkaufen kann: bei Marken-Klamotten angefangen, über Schmuck, Geschirr bis hin zu Schokolade. Besonders Richtung Wochenende ist hier echt was los. Ich bin eindeutig nicht die Einzige, die gerne einem guten Schnäppchen nachläuft.

Wie gesagt und wie erwartet: In der Kirche war es ruhig und leer. Und ich habe mich wieder zum Altar und der Jesus-Figur am Kreuz umgedreht: „Dir SIND damals alle nachgelaufen – solange Du wie der verheißene König auf deinem Esel geritten bist. Aber als du ein paar Tage später am Kreuz gestorben bis… Wo waren dann all diese Menschen und der ganze Jubel? Kann ja sein, dass dir heute niemand mehr nachrennt – aber damals eigentlich doch auch nicht. Die meisten haben dich ganz schnell wieder vergessen als sie gemerkt haben, dass Du nicht einfach der Erfüller aller ihrer Wünsche bist. Du bietest keine billigen Schnäppchen.“

Während ich so über die Geschichte von Palmsonntag nachtgedacht habe, ist übrigens die Kirchentür einige Male auf und zu gegangen. Sind Menschen gekommen und gegangen – haben sich kurz gesetzt oder auch nicht – ein Kreuzzeichen gemacht oder etwas ins Gebete-Buch beim Eingang geschrieben. „Nein – billige Schnäppchen sind bei Dir nicht zu kriegen, mein Herr Jesus. Aber Du bist für uns da, wenn es wirklich wichtig ist. Du weißt, wo unser Leben weh tut.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37407
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