SWR1 Begegnungen

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07APR2023
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Klaas Huizing Foto: Valerie Schmidt

Wolf-Dieter Steinmann trifft Dr. Klaas Huizing. Romanautor und Professor für evang. Theologie in Würzburg. Das Kreuz, das Symbol des Karfreitags, kann „Positives“ zum Leben lehren.

Karfreitag lehrt Leben

Karfreitag ist nicht mehr, was er mal war. Unsere Eltern haben noch schwarz getragen: Den Tod Christi begangen, der uns Menschen erlösen muss von unserer Sünde. Erlöst gewirkt haben sie eher nicht.
Klaas Huizing will Sünde und Kreuz nicht vergessen. Aber als evangelischer Theologe in die Bibel schauen, mit frischem Blick.

Das Schöne am Protestantismus ist ja immer: wir sind diejenigen, die immer wieder auf die Texte zurückgehen und dann kommt man zum Teil zu ganz anderen Einschätzungen.

In Gott sieht er nicht den, der versöhnt werden muss. Er ist sicher, biblische Texte weisen hin, wie gutes Leben möglich ist, auch angesichts von Tod und Gewalt. Beide verschwinden ja nicht aus der Welt, indem man sie ausblendet. Vielleicht kann man Gewalt unterbrechen.

Und zwar ist mir ganz wichtig die berühmte Stelle, wo Jesus selbst noch sagt:
‚Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.‘ Spannend ist daran, dass für Gewaltverzicht plädiert wird. Also es ist ein Rachestopper.

Rache, Vergeltung halten Gewalt am Kochen. Vergeben kühlt ab. Wie beide wirken, sieht man auch an Jesus. Er ist Opfer von Gewalt geworden, weil er den Machtfrieden gestört hat. Propheten machen leicht aggressiv. Auch heute, wenn sie Veränderung fordern. Hoffentlich führt da Klugheit weiter.

Wir brauchen schon das Prophetische, wo auf Missstände hingewiesen wird. Aber wir brauchen auch das Weisheitliche, um zu sagen: ‚Wie können wir die Menschen mitnehmen und eine Atmosphäre aufbauen, wo es leichtfällt, das zu tun, was nötig ist.

Sich auseinandersetzen und verzeihen. So eine Atmosphäre eröffnet Leben. Aber Klaas Huizing macht klar: Zwischen Menschen kann man verzeihen nicht einfordern. Manche Verletzungen gehen zu tief.

Der Andere, das Opfer, muss dem Täter nicht in jedem Fall verzeihen. Das kann man auch runterbrechen auf so alltägliche Situationen.

Von Gott darf man denken, dass ER vergibt. Und die Bücher der Bibel zeichnen nach, wie Menschen das zunehmend erkannt haben.

Es wird immer klarer - wenn man sich die Biographie Gottes genug angeschaut hat - dass die zentrale Emotion die Liebe ist. Es ist eine Atmosphäre idealer Liebe und in der ist alles möglich.

Gott ist Gewaltstopper schon im Alten Testament. Weise lehrend geht er auf Menschen zu. Sogar für Kain, der seinen Bruder Abel umbringt, hat er zwei Botschaften.

 „Ja, er ist ein Mörder, geh mir bitte aus dem Blick, aber Du bist mein Geschöpf. Die Würde bleibt dir erhalten. Dieser Unterschied zwischen Würde und Tat, das ist eine weisheitliche Erfindung.

Und der sagt eben nicht, `alle Menschen sind böse,` sondern der sagt: `Herrsche über die Sünde`. Nein. Man kann was tun, sich entwickeln.

Klaas Huizing liebt Filme, Fussball, Literatur. Auch die der Bibel. Er treibt Theologie als „Lebenslehre für heute“. Das Kreuz z.B. deutet er nicht so, dass Jesus sterben musste als Sühnopfer. Nein, Gott liebt ohne Opfer. Und wir Menschen sind gerade nicht böse an sich. Siehe Kain in der Bibel.

Kain ist an sein Selbstbild gefesselt, kann sich damit auch nicht ändern. Dh. Sünde ist zunächst einmal: ‚Sind wir hinterfragbar oder leben wir - modern gesagt - in bestimmten Echokammern und lassen uns immer unser Selbstbild bestätigen? Dass man sagt: ‚Ja, wir lassen uns nicht hinterfragen: weder von Nachbarn noch von guten Mächten.

Zur Sünde fähig, das bin ich. Wenn ich mich nicht mal von guten Mächten bremsen lasse. Drei Lebenshaltungen können Gewalt bremsen: Gewaltverzicht, Gewaltopfern beistehen und Gewaltprävention.

Wir müssen auch diejenigen sein, die auf die Genese von Gewalt aufmerksam machen. Dort bereits arbeiten. Es wäre ja immer besser, wir kommen nicht in Schuld - und Sündesituationen.

In der Seelsorge z.B. nicht erst verletzten Seelen helfen, sondern präventiv gegen Gewalt wirken. Oder in der Politik? Auch da gibt es im Alten Testament differenzierte Einsichten. Z.B. dass Gewalt in der Regel kein Mittel der Politik sein solle.

Aber selbstverständlich gebe es das Recht zur Verteidigung und auch denjenigen beizutreten, die überfallen werden. Was ich schwierig finde, ist momentan, dass man ab und zu richtig Kriegsbegeisterung hört.

So verstanden, kann Karfreitag Leben lehren. Aber ein Stachel bleibt, dem will Klaas Huizing sich stellen. Der Tod ist gewaltsam an sich.

Gott ist der Geber des Lebens, das meint Lebendigkeit, meint Kreativität, das meint Entwicklungsfähigkeit. Und der Tod, gerade auch wenn er zu einer Unzeit kommt, schreibt dieses Leben fest und dann lässt es sich auch nicht mehr ändern.

Er nimmt uns die Freiheit. Er ist auch kein Gleichmacher: Fast alle Menschen werden vergessen, erinnert nur wenige. Und finden Sie es erträglich, wie ungerecht Lebensmöglichkeiten verteilt sind auf der Welt? Für einen philosphisch denkenden Menschen sind das existentielle Stachel.

Wir brauchen so etwas wie ein großes Gedächtnis, wo wir drin aufgenommen werden dann, und vielleicht auch die Idee einer Lebendigkeit wieder und auch die Idee der ausgleichenden Gerechtigkeit. Das ist mir doch wirklich wichtig. Das ist ein alter Stachel, den wir als Philosophen nicht lösen können.
Und die Frage ist, ob nicht zum Leben dazu gehört, eine positive Rundung.
Wir brauchen eine Erlösung aus der Geschichte.

Ihn bewegt, was Jesus gesagt hat, am Kreuz: „Heute wirst Du mit mir im Paradies sein“. Und so wagt Klaas Huizing, über den Tod hinauszufragen.

Vielleicht gibt es solch ein Phänomen, um zu sagen: ‘ ja, es bleibt der Leib - als spürender Leib - identisch und es gibt so etwas wie Unsterblichkeit.

Lesetipp:  Klaas Huizing, Lebenslehre

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37406
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