Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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29MRZ2023
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Manchmal denke ich: Wir leben in hoffnungslosen Zeiten. Aber nicht, weil ich völlig mutlos wäre angesichts der Krisen unserer Zeit, sondern weil ich den Eindruck habe, dass von „Hoffnung“ eigentlich nirgends mehr die Rede ist. Zum Beispiel, wenn ich vor den unzähligen Postkarten mit Mut-Mach-Sprüche und Lebensweisheiten stehe, die in unserem Buchladen zu kaufen sind: „Sei ganz Du selbst und vertraue deiner eigenen Kraft“ habe ich sinngemäß auf einer gelesen. Oder auf Facebook oder Instagram.  Da lese ich Posts wie: „Ein Vogel hat niemals Angst davor, dass der Ast unter ihm brechen könnte – nicht, weil er dem Ast vertraut, sondern den eigenen Flügeln.“ Das ist ein starkes Bild. Ein Spruch, der wirklich Mut macht, sich und der eigenen Kraft etwas zuzutrauen.

Daran ist auch nichts verkehrt – zumindest, solange mich die eigenen Flügel wirklich tragen. Aber was, wenn nicht? Wenn die Kraft nicht reicht und ich an meine Grenzen stoße? Wie vor einem halben Jahr zum Beispiel, als mir meine Cousine erzählt hat, dass sie an Krebs erkrankt ist. Oder wenn ich mit einer Freundin telefoniere und spüre, dass sie eben noch geweint hat – weil ihre Mutter allmählich dement wird – und ich kann meiner Freundin nicht helfen, sie nicht einmal trösten. Ich habe dann keine Kraft mehr – ich habe Angst.

Es passieren viele Dinge in der Welt, die mir Angst machen. Und Mut-Mach-Worte über Mut und meine eigene Kraft will ich dann – ehrlich gesagt – nicht hören. Was ich brauche, sind Worte der Hoffnung. Wie das, das Jesus seinen Anhängern mitgegeben hat, als er wusste, dass er bald sterben würde. „Sieh, in der Welt habt ihr Angst.“ hat er zu ihnen gesagt. „Aber seit getrost. Ich habe die Welt überwunden.“

Jesus hatte selbst große Angst. Er hat ja in der gleichen Welt gelebt, wie ich heute. Hat gewusst, dass in der Welt schreckliche Dinge geschehen, die wir mit all unserer Kraft nicht ändern können. Manchmal wünschte ich, er würde mir helfen, meine eigene Angst davor zu überwinden. Aber zumindest lässt er mich in meiner Angst nicht allein. Und er schenkt mir Hoffnung in meiner Angst vor dem Schweren in der Welt, wenn er sagt: „Ich habe die Welt überwunden.“

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