SWR4 Sonntagsgedanken

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19MRZ2023
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Halbzeit! Von den 40 Tagen, die zwischen Aschermittwoch und Ostern liegen, ist die Hälfte geschafft. Viele, vielleicht auch Sie, fasten in diesen Tagen, verzichten auf Alkohol oder Süßigkeiten. Oder Sie haben sich etwas Bestimmtes vorgenommen. Etwas mehr Sport, ein dickes Buch zu lesen, oder auch mit einer bestimmten Haltung in den Tag zu gehen. „Leuchten! Sieben Wochen ohne Verzagtheit“, so lautet das Motto der diesjährigen Fastenaktion der evangelischen Kirche.

Und jetzt ist Halbzeit! Heute feiern wir ein Gipfelfest, ein kleines Ostern mitten in den Fastentagen. Der Sonntag trägt den lateinischen Namen „Laetare“, was „Freue dich“ bedeutet. Ostern kommt näher, daher hat dieser Tag einen fröhlichen und tröstlichen Charakter.

Tröstlich ist auch ein Vers des Bibeltextes, über den heute in den evangelischen Kirchen gepredigt wird. „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht Gott, der Herr, dein Erbarmer.“ Angesichts der verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien klingt das vielleicht wie ein billiger, ja zynischer Trost. Aber gesprochen sind diese Worte in eine katastrophale Krisensituation, dem sogenannten Babylonischen Exil im sechsten Jahrhundert vor Christus. Große Teile der Bevölkerung Jerusalems und Judas waren nach Babylon verschleppt worden. Nur einige Reste der armen Landbevölkerung blieben in Hunger und im Elend zurück. Jerusalem lag in Trümmern, war fast entvölkert. Von dem einst prächtigen Tempel war kein Stein mehr auf dem anderen geblieben.

Da stoßen wie Fanfarentöne die Worte des Propheten in die Situation. Er wendet den Blick im Namen Gottes in eine neue Zukunft. Aus der erdrückenden Perspektive ihres Leids heraus sollen Menschen wieder aufatmen und nach vorne schauen können. Denn nach Jahrzehnten der Zerstörung und des Leids kündigte sich nun am Horizont Befreiung an. Das Volk sollte wieder in sein Land zurückkehren, die Stadt wieder aufbauen und zum Leben erwecken können.

Hoffnungsworte, die mir persönlich Halt geben, wenn ich an die unzähligen Obdachlosen in den Erdbebengebieten denke. An die Menschen in der Ukraine, die in zerstörten Städten ohne Strom und Heizung ausharren. Glauben heißt, mit Widersprüchen zu leben, sie auszuhalten, weil wir der Gnade Gottes trauen. Gewiss gibt es viele Ereignisse, die wir niemals verstehen werden. Aber sich solchen Ereignissen auszuliefern und zu unterwerfen, das würde bedeuten, den Glauben aufzugeben. Der Glaube kapituliert nicht. Er hält sich an die Gnade Gottes und findet darin seinen Trost.

Glaube vertraut in der Tiefe auf Gott, denn gerade dort ist er bei uns. Der Prophet in Babylon, der damals dem Volk in der Krise des Exils Mut zugesprochen hat, ist ein Beispiel eines solchen Glaubens. Seine Worte haben seit Jahrhunderten immer wieder Menschen in schwierigen Situationen ermutigt und ihnen Halt und Zuversicht geschenkt. Hoffnungsstur und glaubensheiter, so spricht auch der Prophet im Exil.

Der Bund seines Friedens soll nicht hinfallen, spricht Gott durch den Propheten. Die Hoffnung auf Frieden ist nicht vergeblich. Gott sagt seiner Welt den Frieden zu. Am Ende wird er diese von Krieg und Zerstörung geschüttelte Welt verwandeln in ein Reich des Friedens. Aus dieser Hoffnung können wir inmitten einer von Gewalt entstellten Welt aus diesem Frieden leben. Unsere Sorge für den Frieden der Welt findet ihren Rückhalt im Vertrauen auf den Frieden Gottes, „der höher ist als alle Vernunft“. Gerade in diesen Zeiten kann das Gebet für den Frieden helfen, angesichts von Krisen und Bedrohungssituationen einen Willen zum Frieden zu zeigen, der auch unter uns wirksam wird.

Diese Hoffnung, dass das Leben den Tod überwindet und dass Gott zu seinen Zusagen steht, feiern wir heute an diesem kleinen Osterfest. Da ragt das Licht des Lebens in die Welt, auf der ein Todesschatten liegt. Es leuchtet uns in der Tiefe und lässt uns den nächsten Schritt gehen, selbst für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten.

„Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes heißen“. Mit diesem Wort Jesu aus der Bergpredigt wurde ich heute vor genau 34 Jahren konfirmiert. Für mich auch genau ein solches Trostwort, dass unser Einsatz für die Friedensarbeit, das Gebet für den Frieden, Schritte zur Versöhnung im persönlichen Umfeld, aber auch als Kirche, nicht vergebens sind. Sondern dass Gott uns den Rücken stärkt und die Kraft dazu schenkt. 

Noch liegen 20 Tage Fastenzeit vor uns. Ostern wird kommen. Noch liegen Zeiten der Finsternis, des Leids und der Angst vor uns. Ostern wird kommen. Und das Leben wird siegen. Ostern nimmt dem Tod die letzte Macht und reißt uns aus dem Bann des Todes. Versöhnung und Frieden sind noch längst nicht erreicht, aber nun kommt Ostern an den Horizont. Als ein Hoffnungsbild gegen die Bilder von Gewalt, Leid und Tod. Daran halte ich fest. Trotz allem vertraue ich schon heute auf die Kraft der Versöhnung, des Lebens und des Friedens.

„Denn meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“

Ich wünsche ihnen einen friedlichen Sonntag und eine gesegnete Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37325
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