Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

12MRZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Loslassen kann sehr schwer sein. Einen geliebten Menschen nicht mehr um sich haben, eine langjährige Aufgabe abgeben, einen prägenden Lebensabschnitt beenden – das geht eben nicht mal so nebenbei. Und kostet ganz viel Kraft. Weil man plötzlich auf ganz neue Weise weiterlebt, da erst mal Orientierung finden muss.

… und – weil da plötzlich eine Lücke ist. Mit der muss man irgendwie umgehen. Das, was war, ist ja nicht plötzlich ausgelöscht, als wäre es nie dagewesen. Der Mensch, den ich vermisse, ist mir weiter im Bewusstsein. Die frühere Tätigkeit bleibt ein bedeutsamer Teil meiner Lebensgeschichte. Und die vergangene Zeit hat mich entscheidend geprägt. Ganz komplett loslassen kann und will ich deshalb gar nicht. Aber was denn dann?

„Vielleicht musst du auch gar nicht los-lassen“, hat neulich jemand zu mir gemeint. „Sondern über-lassen. Also – einen Ort finden, an dem alles Geschehene gut aufgehoben ist. Einen Ort, wo alles sein und bleiben darf.“

Das hat mir spontan eingeleuchtet. Etwas über-lassen, an einem neuen Ort wissen – das klingt schon viel machbarer. Weil das Vergangene dann nicht einfach abbricht, sondern immer noch da ist, Bedeutung behält und weiter wirkt.

Und ich glaube – für mich als Christ ist Gott dieser Ort. Gott kann ich anvertrauen, was war. Mit einem Gebet zum Beispiel, einmal und immer wieder. Da hat dann meine Dankbarkeit genauso Platz wie mein Schmerz und meine Bitte für die Zukunft. Es sind ja ganz verschiedene Gefühle, manchmal alle auf einmal und durcheinander.

Was ich Gott überlasse, liegt dann in seiner Hand. Er übernimmt die Verantwortung, kümmert sich darum. Und ich habe die Hände frei für das, was jetzt vor mir liegt.

Ab und zu, in manchen Momenten, kann ich das Vergangene aber auch anschauen. Mich zurückerinnern. Daraus Kraft schöpfen. Freude spüren. Dann kann die Lücke mit der Zeit zu einem kostbaren Geschenk werden – so hat es Dietrich Bonhoeffer mal gesagt [vgl. „Widerstand und Ergebung“, DBW 8, 255f.].

Und – vielleicht bin ich ja eines Tages ganz überrascht, wie Gott das Vergangene noch weitergehen lässt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37267
weiterlesen...